Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
Spülbecken herum.«
Ich beiße die Zähne zusammen und beeile mich.
Aus dem Augenwinkel stelle ich erstaunt fest, dass nun selbst der Lehrling Gas gibt. Dann lässt das Geschäft mit den Vor- und Hauptspeisen nach, die neuen Bestellungen sind fast nur mehr Nachspeisen. Mahmet arbeitet konzentriert, Billy Winter schickt ihm den Lehrling zu Hilfe.
Irgendwann einmal hängt kein Bon mehr am Brett. Die Chefin seufzt, wäscht sich die Hände, geht Richtung Lokal, kommt wieder zurück.
»Sie haben uns aus dem Schlamassel gerettet. Danke.«
Ich strahle, mir ist auf einmal sehr gut zumute. Eine Schlacht geschlagen. Überlebt. Wahrscheinlich sogar gewonnen. »Ich hab ja nur abgewaschen.«
»Es ist kein blödes Gerede, dass in der Küche jede Arbeit gleich wichtig ist. Wären Sie nicht gewesen, hätt ich den Lehrling zum Abwasch stellen müssen, und ohne Assistenz fünfzig, sechzig Essen rauszubringen – das wäre schwierig gewesen. Sie sollten auch etwas essen, ich mache nur rasch eine Runde durch das Lokal, dann koch ich Ihnen was.«
Essen. Daran habe ich in dieser Küche voll von Gerüchen, Speisen, Tellern, Pfannen und Hitze gar nicht gedacht. Auch daran nicht, dass ich mit Oskar in der Stadt verabredet war. Meine Tasche habe ich im Nebenraum abgestellt, in dem die trockenen Vorräte aufbewahrt werden. Klar, drei Anrufe in Abwesenheit, zwei Nachrichten auf der Mobilbox. In der Küche ist es viel zu laut gewesen, als dass ich das Telefon gehört hätte. Es ist bereits nach zehn Uhr am Abend.
Oskar klingt besorgt, ist dann aber, nachdem ich ihm meine Story erzählt habe, eher amüsiert als verärgert. Nein, jetzt komme er nicht mehr in den Apfelbaum, er hoffe eben auf morgen …
Billy Winter schießt wieder herein und beginnt die Behälter mit dem geschnittenen Gemüse und die restlichen Dinge von der Arbeitsfläche in den Kühlschrank zu räumen.
»Sie sind noch immer da? Setzen Sie sich, nehmen Sie Platz, ich bin gleich bei Ihnen!«
Es ist noch genug zu tun, kaum möglich, dass sie rasch für mich Zeit hat, also helfe ich beim Einräumen.
»Das Putzen übernehmen die beiden Männer in der Küche«, befiehlt sie.
»Ich darf nur bis elf arbeiten«, mault der Lehrling.
»Dann gas an, und du bist um elf Uhr fertig!«
Mir ist ganz schwindlig von so viel Tempo.
4.
Der Koch bleibt auch am Wochenende verschwunden. Billy Winter hat eine ganze Reihe von Kollegen angerufen und nach Josef Dvorak gefragt. Wäre er von jemandem abgeworben worden, wäre er irgendwo aufgetaucht, sie hätte es wohl erfahren.
Die Abwäscherin, eine rundliche Sechzigjährige aus einem Nachbardorf, ist hingegen seit Samstag wieder zurück. Sie hustet noch ein bisschen, und Billy Winter ist darauf bedacht, dass sie dem Essen nicht zu nahe kommt. Ich werde trotzdem gebraucht. Ein Glück, dass in der Redaktion Sommerflaute herrscht. Meine Storys für das nächste Heft sind fertig, am Montag werde ich in der Redaktionssitzung eine Reportage über den Küchenalltag in einem Sternelokal anbieten.
Sonntagabend bin ich von der Abwäscherin zur Hilfsköchin aufgestiegen: Ich stehe an der heißen Grillplatte und kümmere mich ansonsten um die Suppen. Es ist etwas weniger los als üblicherweise am Sonntag, für Billy Winter ein Signal, dass das Lokal wohl doch den Bach hinuntergeht. Selbstvertrauen ist bei ihr eine Sache des Augenblicks. Mir jedenfalls reicht, was zu tun ist. Hunderterlei kann man verwechseln, tausenderlei kann einem anbrennen, während man sich um eines der anderen Gerichte kümmert.
Von der Hühnersuppe werde ich träumen. Zuerst vergesse ich gleich zweimal das Käseknöderl einzulegen, dann einmal das Sambal Olek dazuzugeben. Ich lege zwei Rindsfilets auf die Platte, vier Kartoffelscheiben kommen dazu. Die Filets dürfen auf jeder Seite nur rund drei Minuten grillen – Wecker gibt es dafür freilich keinen, das hat man angeblich im Gefühl –, dann kommen sie in den Hold-o-Mat, ein Gerät, das exakt auf siebenundsechzig Grad eingestellt ist und in dem die Filets nachziehen können. So etwas hätte ich gerne für zu Hause. Die Zucchinischaumsuppe erledige ich nebenbei, da, wieder eine Hühnersuppe. Jetzt aber alles richtig machen. Der Hühnerfond ist fertig, ich schöpfe eine Portion heraus, stelle die Stielkasserolle auf den Herd. Ich greife hinter mich, nehme feine Karottenscheiben, etwas geschnittenen Lauch, einige Zucchiniwürfelchen, lasse alles aufkochen. Danach aus der Fleischkühlung einige Würfelchen vom Hühnerfilet
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