Ausgelacht
Helfried, Schlange, Kühlschrank, traumatisches Erlebnis, friert leicht, und überflog das, was sie schon geschrieben hatte.
Elisabeth, ebenfalls Schlange, eine Ringelnatter, hat Angst vor Artgenossen, deswegen fernhalten von Bernhard und Luzifer. Mag kein direktes Sonnenlicht und hasst es, wenn man ihr Terrarium sauber macht, weil sie sich dann bedroht fühlt.
Mechthild und Larissa, Wasserschildkröten, darf man nicht mit Fritz, dem Jungwels, zusammen schwimmen lassen, weil es dann Mord und Totschlag gibt. Fritz wiederum braucht ein spezielles Antibiotikum, weil Mechthild ihm kürzlich aus heiterem Himmel ein Stück Kieme weggebissen hat.
Und so ging es auf zwei Seiten weiter. Es waren leider nicht nur kleine Tiere, es waren auch größere wie zum Beispiel Emil, das Zwergflusspferd, dabei. Emil wohnte im angrenzenden Garten und hatte dort einen eigenen Tümpel, den er nach Leibeskräften verteidigte. Noch nicht mal die Vogelspinnen trauten sich, es mit Emil aufzunehmen. Emil betrachtete sich als Gott. Und er ließ das auch total raushängen, davon konnte sich Britt selbst überzeugen.
Zwar sagte sie immer wieder «Ich dachte, es sei nur ein Hund», gab es dann aber irgendwann auf. Es gab ja auch einen Hund. Den Namen hatte Britt sich noch nicht merken können, weil es ja auch Schlangen, Opossums, Welse, Schildkröten, ein kleines Nilpferd und möglicherweise noch weiß der Himmel alles gab.
Die blöden Schlangen würden sowieso nicht auf irgendwelche Namen hören, denn Schlangen waren ja bekanntlich taub.
«Es wird dir hier gut gefallen», wurde Tante Dora nicht müde zu versichern. «Die Bad Nauheimer sind so nett. Und wenn du abends mal unter junge Leute willst, dann gehst du in den ‹Schober›.»
«Was ist das?», fragte Britt.
«Das ist ein Szene-Treff», sagte die Tante, die stolz darauf war, so ein Wort zu kennen. «Dort trifft sich die Jugend. Dort trinkt man Bier, Äppler und unterhält sich, das habe ich mir zumindest sagen lassen.»
«Was ist denn Äppler?»
Tante Dora sah nun so aus, als hätte Britt gefragt, was eine Tasche sei. «Na, Apfelwein», kam es dann. «Das ist doch das hessische Nationalgetränk. Wo wir gerade dabei sind, erinnerst du dich noch an Handkäs’ mit Musik und Grüner Soße?»
«Nein.»
«Nein? Dann mache ich Handkäs’, wenn ich wieder da bin. Den kann ich mindestens genauso gut wie Kartoffelsalat.»
«Wann fährst du denn eigentlich los?»
«Morgen. Du bringst mich doch zum Flughafen?»
«Sicher bringe ich dich.»
«Und jetzt gibt es Kuchen. Ich habe extra einen Frankfurter Kranz für dich gemacht. Mit viel Buttercreme. Den hast du als Kind schon so gerne gegessen.»
‹Eins ist gut›, dachte Britt. ‹Morgen ist sie weg, und ich muss mir nicht länger das fette Zeug reinziehen.› Nach vier Wochen bei Tante Dora würde sie wahrscheinlich aussehen wie eine adipöse Mittvierzigerin und sich somit gut in das Allgemeinbild der Kurstadt mit Herz einfügen. Aber den morgigen Tag würde sie schon noch überstehen.
Und dann würde endlich Ruhe einkehren.
Britt beschloss, diese drei Monate mit halbgeschlossenen Augen durchzustehen, jeden Tag wie ein Gefängnisinsasse abzustreichen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, beispielsweise darauf, in Frankfurt eine Wohnung zu suchen und die Innenstadt ein wenig unsicher zu machen. In diesen «Schober» würde sie auf gar keinen Fall gehen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit waren dort sowieso gegen 19 Uhr schon alle betrunken und würden herumkrakeelen.
Sie, Britt Wildenburg, würde den Mob meiden, wo es nur ging.
Außerdem hatte sie ja auch noch die ganzen Tiere am Hals.
Die Zeit würde schon rumgehen. Und niemand würde ihr Undankbarkeit oder etwas anderes vorwerfen können.
Abends ging sie zum ersten Mal alleine mit dem Hund raus.
«Du musst ihn ja kennenlernen», war Tante Doras Meinung. «Ab morgen wirst du alleine zurechtkommen müssen.»
«So schwierig wird es schon nicht sein.» Britt nahm die Leine und stiefelte davon, beziehungsweise wurde mitgerissen.
«Otto ist sehr wild», rief ihr die Tante überflüssigerweise hinterher. Wenigstens wusste sie jetzt den Namen.
Während Britt die Straße entlanggezerrt wurde, hoffte sie, dass ihr niemand begegnen würde, was aber leider nicht der Fall war.
«Hallo.» Vor ihr stand eine junge Frau in ihrem Alter und lächelte sie freundlich an.
«Hallo.» Otto sprang an der Frau hoch, und Britt musste aufpassen, nicht in zwei Teile
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