Ausgeliebt
halben Stunde hatte er Lampen gehalten, Bücher eingeräumt, Kaffee gekocht und mich mindestens zwanzig Mal berührt.
Er litt mit. Dann musste er wieder los.
In den letzten zwei Stunden arbeiteten wir unter Ines’ Kommando weiter.
Das Feierabendbier tranken wir am Esstisch.
Ines streckte sich und sah zufrieden in die Runde.
»Du kannst richtig in deinem Bett schlafen, deine Küche ist fertig, alle Lampen dran, Badezimmer geputzt, jetzt fehlt nur
noch Kleinkram und der Rest Auspacken. Und das hat Zeit. Wir sind doch großartig.«
Dorothea sah mich mit ihren großen Augen an und strich über den Holztisch.
»Aber noch keine Tischdecke.«
Sie kicherte wieder.
»Meine Güte, ich bin so platt, ich werde schon wieder albern. Ich würde ja gern noch mit euch Bier trinken, aber ich muss
ins Bett. Morgen früh ab acht habe ich Sendung.«
Es war 20 Uhr. Wir hatten fast zwölf Stunden geräumt.
»Kommst du klar?«, fragte Dorothea.
»Sicher.«
|26| Ich war ganz froh, gleich allein zu sein.
»Ich packe noch ein bisschen aus und gehe auch früh ins Bett.«
»Gut.«
Dorothea stellte sich hinter mich.
»Denk dran, was man in der ersten Nacht träumt, geht in Erfüllung.«
Sie küsste mich auf den Scheitel.
»Und zum Friseur musst du auch, Schätzchen. Grauer Ansatz geht nur in der Provinz. Ich komme morgen Nachmittag wieder. Viel
Spaß beim Einräumen.«
Ich stand auch auf, küsste Ines auf die Wange. Sie sah mich etwas besorgt an.
»Alles o.k., Ines. Wirklich. Und danke.«
»Dann bis morgen. Schlaf dich gut durch die erste Nacht.«
Ich schloss die Tür hinter ihnen.
Und war das erste Mal allein in meiner neuen Wohnung.
|27|
Allein
Langsam ging ich durch die Räume. Ich schaltete in jedem Zimmer das Licht an, ließ alle Türen offen, stellte eine Stehlampe
um, einen Stuhl dazu, strich die Bettwäsche glatt. Die meisten Möbel waren neu, ich war in den letzten zwei Wochen in jeder
freien Minute mit Dorothea oder Ines durch Möbelhäuser und Haushaltswarengeschäfte gelaufen und hatte mein neues Leben zusammengekauft.
Georg hatte angeboten, mir Geld zu leihen. Er verdiente viel, gab wenig aus und hatte immer irgendwelche Summen übrig. Ich
war froh über das Angebot und nahm es an. So konnte ich mir das Gefühl leisten, mich von Dingen trennen zu können, die mich
an meine Ehe erinnerten.
Ich sah mich um. Es gab so viele Sachen in dieser Wohnung, an die ich noch nicht gewöhnt war. Es fühlte sich komisch an. Fremd.
Ich holte tief Luft und beschloss noch drei Kisten auszupacken, dann zu duschen und die Flasche Rotwein zu öffnen, die Dorothea
mitgebracht hatte.
Zwei Stunden später saß ich im Bademantel und mit feuchten Haaren in meinem fast fertigen Esszimmer.
Keine Tischdecke, ich musste lächeln, als ich an Dorothea dachte, aber eine Kerze, ein volles Rotweinglas und eine neue CD,
die Georg mir heute geschenkt hatte. ›Sunset dance & dreams‹, frei von Bernd-Erinnerungen.
Die neue Stehlampe verbreitete ein warmes Licht, ich betrachtete das Zimmer vom Tisch aus. Mir gefielen die Möbel und die
Lampen, die ich gekauft hatte. Es war ein schönes |28| Zimmer geworden, ich fühlte mich fast zufrieden. Und ich hatte es geschafft.
Heute war der 16. April. Tag eins nach dem Umzug.
In den letzten Tagen und Wochen hatte ich dieses Datum wie eine Zauberformel beschworen.
16. April. So lange musste ich durchhalten. 16. April. Danach würde es besser werden.
Meine beruflichen Termine hatte ich alle bewältigt, trotzdem blieb es anstrengend.
Während der letzten zwei Wochen hatte ich bei Ines gewohnt.
Mein Umzug war erst für den 15. April geplant, der Spediteur konnte den Termin nicht vorziehen, so war die Wohnung zwar frei, aber leer, zumal auch die neuen
Möbel erst an dem Tag geliefert werden sollten.
Ines verordnete mir Termine.
Tagsüber putzte ich die neue Wohnung, telefonierte mit Versicherungen, Stromversorgern und Telefongesellschaften. Ich saß
stundenlang im Einwohnermeldeamt und bei der Zulassungsstelle. Ich lief mit Rückenschmerzen durch Baumärkte und versuchte
Einkaufslisten von Ines abzuhaken.
Abends fuhr ich mit meiner Schwester und ihrem Zollstock in Möbelläden und noch mal in die Baumärkte, um die Sachen von der
Liste, die ich falsch gekauft hatte, wieder umzutauschen.
Ich wusste selten, was das für Teile waren, die sie brauchte.
Dorothea lud uns zum Essen ein und vertrieb für einen Abend mit viel Wein und ihrer
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