Ausgeliebt
noch um Klassen besser, selbst wenn es selten passiert. Und der Rest deines Lebens
ist sowieso großartig.«
Meistens rief ich dann Luise oder Dorothea an.
Ich fuhr an einem Hinweisschild vorbei: »Hamburg 49 km.« Ich war geschieden und wohnte in Hamburg. Das klang gut. Ich war überrascht, dass ich mich so leicht fühlte. Die Scheidung
hatte überhaupt keine großen Gefühle ausgelöst. Ich wählte Luises Telefonnummer. Nach vier Freizeichen sprang der Anrufbeantworter
an. Ich versuchte es auf dem Handy. Ausgestellt. Ich wunderte mich, dachte, sie hätte frei und wüsste, dass heute mein Termin
war.
Ich versuchte es bei Dorothea. Sie meldete sich sofort, war aber hektisch.
»Hallo, Christine, ich melde mich später, bin gerade in einer Besprechung, tschüs, tschüs.«
|216| Ich war ein bisschen enttäuscht. Sie hatte noch nicht mal gefragt.
Edith hielt sich nicht zurück.
»Wo ist denn dein neues Leben, von Richard nichts, Luise und Dorothea auch nicht, toll.«
Ich wählte Ines’ Nummer. Anrufbeantworter. Dann Marleen. Ihr Sohn ging ans Telefon.
»Hallo, hier ist Christine, ist deine Mutter da?«
Die genervte Stimme eines Siebzehnjährigen antwortete.
»Nö, Mama ist einkaufen, glaube ich, keine Ahnung, wann die wiederkommt. Tschüs.«
Er legte auf.
Ich war geschieden und konnte es keinem erzählen. Mein leichtes Gefühl schwand. Nina war nicht erreichbar, Leonie ließ auch
den Anrufbeantworter laufen.
Ich schluckte und zündete mir eine Zigarette an.
In diesem Moment klingelte das Handy. Richard.
»Ich bin es. Hast du es hinter dir?«
»Richard. Ja, alles vorbei, es hat keine halbe Stunde gedauert.«
»Und wie fühlst du dich?«
»Gut, ich würde nur gerne feiern und kann niemanden erreichen.«
»Christine, ich …«
Er hatte es falsch verstanden, ich unterbrach ihn. »Ich meinte damit nicht dich, also natürlich doch, aber ich meinte eigentlich
meine Frauen in Hamburg, keine ist erreichbar.«
Richards Stimme klang ein bisschen erleichtert. »Ach, die Damen werden sich schon melden. Und ich freue mich auf Montag. Sehr
sogar.«
Er streichelte jedes Mal meine Seele. »Ich freue mich auch. Bis Montag dann.«
Wir legten auf.
Kurz darauf parkte ich vor meiner Wohnung. Ich ging zur |217| Haustür, beim Aufschließen fiel mein Blick auf mein Klingelschild. Bernds Name. Ich hatte mich entschlossen, meinen Mädchennamen
wieder anzunehmen. Nächste Woche würde ich ein neues Türschild machen lassen. Es gab mir ein gutes Gefühl.
Ich hatte keine Post, keinen Anruf auf meinem Anrufbeantworter.
Edith sprach es aus.
»Kein Mensch interessiert sich für deine Scheidung. Die tun alle so, als wäre es nichts weiter als ein Zahnarztbesuch. Das
ist traurig.«
Bevor meine Gedanken den gleichen Weg nehmen konnten, klingelte es an der Haustür.
Ich öffnete und Dorothea stieg die Treppe hoch. Sie hatte eine weiße Rose in der Hand.
»Fräulein Christine, jetzt bist du deine Altlasten offiziell los. Herzlichen Glückwunsch.«
Ich schloss hinter ihr die Tür und folgte ihr in die Küche.
»Mir könnte es ja auch ganz schlecht gehen, man gratuliert doch nicht zu Scheidungen.«
Ich füllte eine schmale Vase mit Wasser und stellte die Rose hinein.
Dorothea ließ sich auf den Stuhl fallen und knöpfte ihren Mantel auf. »Dir geht es aber nicht schlecht, wäre ja auch Quatsch.
Guck dich doch an, als Ehefrau hast du nicht so gut ausgesehen, deine Freunde sind jetzt schöner und witziger, dein Konto
ist voller und dein Sex ist besser.«
Ich setzte mich ihr gegenüber. »Was weißt du von meinem Sex? Und von meinen witzigen Freunden hat sich noch niemand gemeldet.«
Dorothea lachte und knöpfte ihren Mantel wieder zu. »Mit Liebhabern hat man immer besseren Sex, ich sage nur Nils. Und außerdem
will ich mich hier gar nicht häuslich niederlassen, ich wollte dich nur abholen. Im ›Café Wien‹ ist heute |218| Cocktailabend, ich habe Gutscheine von meiner Mutter bekommen, da gehen wir jetzt hin und betrinken uns.«
Sie stand auf.
Ich winkte ab. »Dorothea, ich bin gerade erst angekommen, ich habe eigentlich keine Lust.«
Und ich fühlte mich nicht ernst genommen.
Sie ignorierte meine Antwort und nahm meine Jacke von der Garderobe.
»Los, zieh dich an. Ich fahre dich auch.«
Ich fügte mich ohne große Begeisterung.
Dorothea fand genau vor der Barkasse einen Parkplatz. Das Café war mit Lichterketten beleuchtet, das Wasser der Alster glitzerte.
Ich
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