Ausgeliebt
an.
»Billy-Rekord. Wir haben beim letzten die zehn Minuten geknackt.«
Dorothea streckte mir ihren Zeigefinger entgegen.
»Unter zehn. Mit dieser Blase!«
Sie war vor Jahren die Freundin meines Bruders Georg gewesen. Nach einiger Zeit war die Liebe weg, ihre Freundschaft geblieben.
Und Dorothea, die mit ihrem Charme und Witz die Familie im Sturm erobert hatte, blieb ebenfalls.
Sie war begeistert von meinem Plan, nach Hamburg zu ziehen, sie lebte hier.
Ines setzte ihr Feuerzeug an eine neue Bierflasche, öffnete sie und reichte sie Dorothea.
|23| Die stieß sich von der Wand ab, nahm einen Stuhl hoch, der umgedreht auf einem anderen stand, und setzte sich stöhnend hin.
»Mein Kreuz. Und diese Blase. So, und du meinst, nach acht Billys kann ich ein Bier trinken?«
»Nach acht Billys muss man Bier trinken. Was ist, Christine, du auch?«
Ich sah mich um. In diesem Zimmer stand alles durcheinander. Leere Bücherregale, auf dem Sofa Mäntel, Kissen und Gardinen,
aufeinander gestapelte Stühle, Teppichrollen und überall volle Umzugskisten.
»Das wird hier immer schlimmer.«
Mein Mut sank.
»Tja, Christine, ich finde, du solltest hier mal ein bisschen aufräumen. Früher warst du immer so akkurat, und kaum bist du
in der Großstadt, zack, Schlampenalarm.«
Dorothea lachte lauthals über ihren eigenen Witz. Sie klopfte auf die Bücherkiste, die als Tisch diente und übersät war mit
Bierflaschen, Lakritztüten, Zigarettenasche, Kronkorken und verschiedenen Schrauben.
»Leg doch mal eine Tischdecke auf, dann kriegt das hier doch Art.«
Ines lachte mit.
»Und du hast doch bestimmt Untersetzer für die Flaschen. Nicht, dass das Ränder gibt.«
Dorothea wollte noch draufsetzen, musste aber so lachen, dass ihr die Tränen kamen.
»Du bist albern.«
Ines schüttelte amüsiert den Kopf und reichte mir ein Bier.
»Sie ist erschöpft. Diese Künstler sind doch nichts gewöhnt.«
Dorothea ist Kostümbildnerin, arbeitet beim Fernsehen und malt.
Sie strich sich mit dem Handrücken die dunklen Locken und die Tränen aus dem Gesicht und setzt eine leidende Miene auf.
|24| »Acht Billys, davon drei mit Blase. Nicht zu reden von einer Kommode, dem Schreibtisch und dem Küchentisch.«
»Der Küchentisch war gar nicht auseinander gebaut.«
»Ich hab aber eine Tischdecke draufgelegt.«
Sie lachte wieder schallend los. Ihre Albernheit wirkte ansteckend, wir saßen eine Weile kichernd und Bier trinkend um die
Bücherkiste.
Schließlich stand Ines auf, ließ die leeren Flaschen in die Bierkiste fallen und griff nach ihrer Bohrmaschine.
»Los jetzt, wir sind noch nicht fertig, es ist 18 Uhr und in zwei Stunden muss ich los.«
Dorothea hielt sich schwer atmend die Seite.
»Christine, jetzt räum schnell hier auf und dann ist gut.«
Leise lachend folgte sie Ines, um Gardinenstangen beim Anbringen zu halten.
Wir hatten uns morgens in meiner neuen Wohnung getroffen. Am Tag zuvor waren meine Möbel und Kisten gekommen. Ich hatte mit
Ines beim Ausladen geholfen, alle Sachen in die Wohnung geschleppt und dann einen Heulkrampf bekommen.
Daraufhin beschloss Ines, dass das Einräumen, Bohren und Schrauben auch bis morgen früh Zeit hätte.
Dorothea, die begeistert ihre Hilfe angekündigt hatte, kam gut gelaunt und konnte es kaum erwarten
. Ines kam mit Werkzeugkiste und Überblick, gab Anweisungen, hakte ihre Liste ab, schraubte und bohrte konzentriert und ohne
Ermüdungserscheinung. Bis zum Mittag waren die Küche, das Büro und das Schlafzimmer fast fertig.
Ines und Dorothea hatten Stück für Stück aufgebaut und zusammengeschraubt, ich packte einen Karton nach dem anderen aus und
räumte ein.
Georg erschien, beladen mit Brötchen- und Kuchentabletts und einer Kiste Bier.
»Ich habe es leider nicht früher geschafft, kann ich noch was helfen?«
|25| Wir lachten alle drei.
Georg ist Journalist. Laut Ines beschränkt sich sein handwerkliches Können darauf, einen Laptop-Stecker mit einer Steckdose
zu verbinden. Und selbst das konnte schief gehen.
Jetzt sah sie ihn lange an und entschied, er könne die leeren Umzugskartons falten und auf den Dachboden bringen.
»Dabei kannst du nichts kaputtmachen und tust dir nicht weh.«
An Georg prallte das ab.
»Ohne mich wärt ihr verhungert und verdurstet. Falten und tragen kann ich 1a und eigentlich habt ihr mich ganz doll lieb.«
Er blieb, trotz aller Vorurteile, und Ines teilte ihm eine Tätigkeit nach der anderen zu.
Bis vor einer
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