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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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hat.
    »Ich kann nicht glauben, dass du so bist. So armselig.«
    Ich ging nach oben und fing an zu packen. Bis morgens um fünf. Dann hatte ich mein Leben eingepackt, die wenigen Möbel, die
     ich mitnehmen wollte, mit gelben Zetteln markiert, mein Auto vollbeladen und die Liste für Marleen geschrieben.
    Als ich fertig war, setzte ich mich in die Küche, trank einen Kaffee und rauchte die letzte Zigarette in diesem Haus. Meine
     Katze sprang mir auf den Schoß. Mir kamen die Tränen.
    »Du gehst hier nicht heulend raus! Reiß dich zusammen!«
    Danke Edith.
    In dem Moment betrat Bernd die Küche.
    »Na, alles gepackt?«
    »Marleen kommt am Fünfzehnten, wenn der Umzugswagen kommt. Ich habe eine Liste der Sachen gemacht, die mit sollen. Das meiste
     lasse ich hier, fang also nicht an zu diskutieren.«
    »Christine, es tut mir leid.«
    »Spar es dir, mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke.«
    Ich schob mich an ihm vorbei und verließ dieses Haus und dieses Leben.
    Zum ersten Mal knallte ich die Tür laut zu.
     
    Meine neue CD war zu Ende. Ich stand auf und ließ sie noch mal laufen.
    »Aber heute ist der 16.   April. Du hast eine neue Wohnung, ein neues Leben und all das hinter dir.«
    Danke, Charlotte.
    Ich sah auf die neue Wanduhr. 0:05   Uhr. Tag zwei.
    Ich trank das Glas leer, brachte es in die Küche und stellte es in die neue Spülmaschine.
    »Ab jetzt geht es aufwärts. Das Schlimmste ist geschafft.«
    »Das wird nicht leicht, der Weg ist lang und heftig.«
    |35| Ich stellte die Musik aus, löschte das Licht, ging in mein Schlafzimmer, legte mich in mein frisch bezogenes Bett. Als ich
     lag, spürte ich die Tränen.
    Ich dachte an Marleen, an Dorothea und Ines und hoffte auf einen wunderbaren Traum.

|36|

    Das Elend
    Mein Hals und mein Kopf taten weh, als ich am Morgen aufwachte.
    Es war 7   Uhr, mein erster Gedanke war: »Wir haben verschlafen, Bernd muss um 7   Uhr los.«
    Der zweite Gedanke kam unmittelbar danach: »Ich bin allein.«
    Ich fühlte mich elend, konnte nicht mehr liegen. Mit Rückenschmerzen quälte ich mich aus dem Bett und ging ins Bad.
    Mein Spiegelbild sah so aus, wie ich mich fühlte. Fleckige Haut, strähnige Haare, ungezupfte Augenbrauen, dunkle Ränder und
     Falten unter den Augen.
    »Kein Wunder, dass Bernd nicht mehr mit dir leben wollte. Sieh dich doch an.«
Ich hasste Ediths Stimme, trotzdem beugte ich mich näher zum Spiegel.
    Nicht nur, dass meine Augen rot und verklebt waren, jetzt schwammen sie auch noch in Tränen.
    Mein Blick fiel auf die Uhr, die auf dem Waschbecken lag. 7:15   Uhr. So früh noch.
    Mir war kalt, das Schlucken tat weh. Als ich mich bückte, um Strümpfe anzuziehen, wurde mir schwindelig. Ich ließ mich auf
     den Badewannenrand sinken, der Schwindel ließ nicht nach.
    »Wenn du jetzt umkippst, liegst du den ganzen Tag alleine hier rum.«
    Der Weinkrampf kam so plötzlich wie der Schwindel. Ich würde es nie schaffen, ich hatte keine Kraft für all das Neue, alles
     Vertraute war weg, die nächsten freien Tage lagen bleischwer vor mir. Wo sollte ich bloß anfangen?
    Erst als ich meine eiskalten Füße spürte, setzte ich mich gerade |37| hin. Ich zwang mich, ruhig zu atmen, zog langsam meinen Bademantel und dicke Socken an, putzte mir die Nase.
    »Und jetzt gehst du in die Küche, kochst dir mit deiner neuen Maschine Kaffee, setzt dich in Ruhe hin und planst den Tag.«
     
    Jeden Morgen nahm ich mir was vor. Aber jeder Handgriff war mühsam und lustlos. Ich richtete mich im Schneckentempo weiter
     ein. Weil ich es musste, nie, weil ich es wollte.
    Wenn Ines oder Dorothea vorbeikamen, riss ich mich zusammen, dann war es leichter.
    Zusammenreißen musste ich mich noch mal, als Dorothea drei Tage nach meinem Einzug für drei Wochen nach Finnland flog, um
     dort zu malen, und Ines sich einen Tag später verabschiedete, um zwei Wochen lang segeln zu gehen.
     
    Meine Schwester hatte genug in dieser Zeit geleistet, sie hatte sich diesen Urlaub verdient. Trotzdem fühlte ich mich ins
     kalte Wasser geschubst.
    Bevor sie fuhr, hatte sie mir noch gesagt, dass ich meine Hamburger Kollegen und Bekannten anrufen sollte, kaum jemand wusste,
     dass ich jetzt hier lebte.
    Ich hatte zugestimmt, aber niemanden angerufen. Ich hatte noch keine Kraft, mit irgendjemandem über Bernd zu reden.
     
    Seit beide weg waren, schlichen die Minuten und Stunden. Ich hatte mittlerweile eine ausgewachsene Erkältung, auf die ich
     alles schob.
    Jeder Gang war eine Anstrengung. In

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