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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sie. Arbeitete sich einfach keuchend zwei Meter tief in die Erde hinein. Dann lehnte er die Schaufel an einen Baum. Wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht ab. Sagte kein Wort. Nahm die Brechstange und trat dicht vor die Leiche. Wischte die Fliegen weg. Stemmte die Nägel aus der linken Hand. Jacksons Körper kippte zur Seite. Der linke Arm deutete auf groteske Weise in die Grube
hinunter. Die Fliegen stiegen in einer zornigen Wolke auf. Reacher ging zur rechten Hand herum. Stemmte die Nägel heraus. Die Leiche kippte nach vorn in das Loch. Er zog die Nägel aus den Füßen. Die Leiche fiel ins Grab. Die Luft war schwarz von Fliegen und von ihrem Summen erfüllt. Reacher ließ sich in das Loch gleiten und schob die Leiche zurecht. Überkreuzte die Arme vor der Brust.
    Er kletterte wieder heraus. Ohne innezuhalten griff er sich die Schaufel und fing an, das Loch aufzufüllen. Er arbeitete ohne Pause. Die Fliegen verschwanden. Er arbeitete weiter. Zu viel Erde. Sie türmte sich hoch auf, als er fertig war, wie das bei Gräbern immer der Fall ist. Er stampfte den Hügel in ordentliche Form und ließ die Schaufel fallen. Beugte sich vor und hob die Felsbrocken auf, die er aus dem Loch geholt hatte. Reihte sie um den Hügel herum auf. Legte den größten davon auf den Hügel, wie eine Art Grabstein.
    Dann stand er da, keuchend wie ein Wilder, mit Schmutz und Schweiß verschmiert. Holly beobachtete ihn. Dann sagte sie etwas, zum ersten Mal seit einer Stunde.
    »Sollen wir ein Gebet sprechen?«, fragte sie.
    Reacher schüttelte den Kopf.
    »Dafür ist es viel zu spät«, entgegnete er mit leiser Stimme.
    »Bei Ihnen alles okay?«, fragte sie.
    »Wer ist der Maulwurf?«, fragte er zurück.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Nun, dann denken Sie darüber nach, ja?«, sagte er zornig.
    Sie sah ihn böse an.
    »Glauben Sie, das habe ich nicht?«, sagte sie. »Was zum Teufel denken Sie denn, was ich die letzte Stunde getan habe?«
    »Also, wer ist es dann?«, fragte er. Immer noch zornig.
    Sie sagte eine Weile nichts. Wurde wieder stumm.
    »Es könnte jeder Beliebige sein«, erwiderte sie schließlich. »In Chicago gibt es hundert Agenten.«
    Sie saß auf dem Waldboden, klein, jämmerlich, besiegt. Sie hatte ihren Leuten vertraut. Das hatte sie ihm gesagt. Sie war voll naivem Vertrauen gewesen. Ich vertraue meinen Leuten, hatte sie gesagt. Er verspürte eine Aufwallung zärtlicher Gefühle für sie. Sie überwältigte ihn förmlich. Nicht Mitleid,
nicht Sorge, nur qualvolle Zärtlichkeit für einen guten Menschen, dessen strahlend schöne neue Welt plötzlich schmutzig wurde und in Stücke ging. Er starrte sie an und hoffte, dass sie es bemerken würde. Sie sah ihn mit tränenerfüllten Augen an. Er streckte ihr beide Hände entgegen. Sie griff danach, und er zog sie auf die Füße und hielt sie an sich gedrückt. Ihre Brüste drückten gegen seine Brust, in der das Herz wie wild schlug. Ihre Tränen liefen über seinen Hals.
    Dann waren ihre Hände plötzlich hinter seinem Kopf, zogen ihn näher heran. Sie hob ihr Gesicht und küsste ihn. Sie küsste ihn zornig und hungrig auf den Mund. Ihre Arme klammerten sich um seinen Hals. Er spürte ihren wilden Atem, kniete nieder und legte sie sanft auf die weiche Erde. Ihre Hände nestelten an seinen Hemdknöpfen. Und seine an den ihren.
    Sie liebten sich nackt auf dem Waldboden, leidenschaftlich, hastig, gierig, als wollten sie sich damit gegen den Tod selbst auflehnen. Dann lagen sie, keuchend und ausgepumpt, ineinander verschlungen da und blickten zur Sonne auf, deren Licht durch die Blätter herunterstach.
     
    Er streichelte ihr Haar und spürte, wie ihr Atem langsamer wurde. Stumm hielt er sie eine Weile an sich gedrückt und betrachtete die winzigen Stäubchen, die in den Sonnenstrahlen über ihrem Kopf tanzten.
    »Wer hat gewusst, wo du am Montag hingehen würdest?«, fragte er leise.
    Sie dachte nach. Gab keine Antwort.
    »Und wer von ihnen hat damals über Jackson Bescheid gewusst?« , fragte er.
    Keine Antwort.
    »Wer ist nicht knapp bei Kasse?«, fragte er.
    Keine Antwort.
    »Wer ist neu?«, fragte er. »Wer hätte nahe genug an Beau Borken herankommen können, um sich kaufen zu lassen? Irgendwann in der Vergangenheit? Vielleicht bei der Untersuchung dieses Raubes in Kalifornien?«
    Sie fröstelte in seinen Armen.
    »Vier Fragen, Holly«, sagte er. »Auf wen passen sie?«
    Sie ließ sich alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Ein Ausscheideprozess. Ein Algorithmus. Sie

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