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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Dann öffnete sich die Tür des kleinen, weiß getünchten Zimmers einen Spalt. Ein Agent vom Geheimdienst stand da. Blauer Anzug, Draht, der aus seinem Kragen zu seinem Ohrhörer führte.
    »Bitte folgen Sie mir, Sir«, sagte der Agent.
    Webster stand auf, und der Mann hob die Hand und sagte etwas zu seiner Manschette. Webster folgte ihm durch einen lautlosen Korridor in einen Aufzug. Der Aufzug war klein und langsam. Er brachte sie ins Erdgeschoss hinunter. Sie gingen durch einen weiteren Korridor und hielten dann vor einer weißen Tür inne. Der Agent klopfte einmal und öffnete sie dann.
    Der Präsident saß auf seinem Sessel hinter seinem Schreibtisch. Der Stuhl war so gedreht, dass er dem Raum den Rücken zuwandte. Er starrte durch die kugelsicheren Fensterscheiben auf die Dunkelheit hinaus, die sich gerade über den Garten herabsenkte. Dexter saß auf einem Armsessel. Keiner von beiden forderte ihn auf, Platz zu nehmen. Der Präsident drehte sich nicht um. In dem Augenblick, in dem er hörte, wie sich die Tür schloss, fing er zu reden an.
    »Angenommen, ich wäre ein Richter«, sagte er. »Und angenommen, Sie wären ein Polizist und zu mir gekommen, um sich einen Haftbefehl zu holen.«
    Webster konnte das Gesicht des Präsidenten in dem dicken Glas sehen. Es war bloß ein rosa Schimmer.
    »Okay, Sir, was ist, wenn ich einer wäre?«, sagte er.
    »Was haben Sie denn in der Hand?«, fragte ihn der Präsident. »Und was haben Sie nicht in der Hand? Sie wissen nicht einmal mit Sicherheit, dass Holly überhaupt dort ist. Sie haben einen verdeckten Ermittler dort, und der hat es Ihnen nicht bestätigt. Sie vermuten das lediglich, sonst nichts. Und diese Raketengeschosse? Die Army hat den Funkkontakt verloren. Das könnte kurzfristig sein. Dafür könnte es alle möglichen Gründe geben. Ihr verdeckter Ermittler hat nichts davon erwähnt.«
    »Er könnte Schwierigkeiten haben, Sir«, sagte Webster. »Und man hat ihn aufgefordert, vorsichtig zu sein. Er hängt nicht ständig an der Leitung und erstattet Bericht. Er arbeitet verdeckt, oder? Er kann nicht jederzeit, wenn ihm danach ist, einfach in den Wald verschwinden.«
    Der Präsident nickte. Der rosa Schimmer auf der Glasscheibe bewegte sich auf und ab. Da war etwas Mitgefühl.
    »Das ist uns klar, Harland«, sagte er. »Wirklich. Aber wir müssen doch davon ausgehen, dass er sich bei Dingen dieser Größenordnung besonders anstrengt, oder nicht? Aber Sie haben nichts gehört. Sie liefern uns also lediglich Spekulationen.«
    Webster spreizte die Hände. Sprach jetzt direkt zum Hinterkopf des Präsidenten.
    »Sir, das ist eine große Sache«, sagte er. »Die bewaffnen sich, die haben eine Geisel genommen, die reden davon, sich von den Vereinigten Staaten loszusagen.«
    Der Präsident nickte.
    »Verstehen Sie denn nicht, dass genau das das Problem ist?«, sagte er. »Wenn es hier um drei Spinner ginge, die sich mit einer Bombe in einer Hütte im Wald verkrochen haben, würden wir Sie sofort hinschicken. Aber das ist nicht der Fall. Das hier könnte zu der größten Verfassungskrise seit 1860 führen.«
    »Dann sind Sie also meiner Ansicht«, meinte Webster. »Sie nehmen die Leute ernst.«
    Der Präsident schüttelte den Kopf. Die Geste wirkte traurig, so als ob er verärgert, aber nicht überrascht wäre. Webster begriff nicht.
    »Nein«, sagte er. »Wir nehmen sie nicht ernst. Genau das ist es, was diese ganze Geschichte so verdammt schwierig macht.
Die sind eine Bande irregeleiteter Idioten, die überall ein Komplott oder eine Verschwörung sehen und etwas von Unabhängigkeit für ihr armseliges kleines Stückchen wertloses Land faseln. Aber die eigentliche Frage ist die: Wie sollte eine reife demokratische Nation darauf reagieren? Sollte man sie alle massakrieren, Harland? Ist das die Reaktion einer reifen Nation? Sollte sie tödliche Gewalt gegen ein paar irregeleitete Idioten einsetzen? Wir haben eine ganze Generation lang die Sowjets dafür verdammt, dass sie das getan haben. Werden wir jetzt dasselbe tun?«
    »Es sind Verbrecher, Sir«, sagte Webster.
    »Ja, das sind sie«, pflichtete ihm der Präsident geduldig bei. »Sie sind Fälscher, sie sind im Besitz illegaler Waffen, sie bezahlen keine Bundessteuern, sie schüren Rassenhass, vielleicht haben sie sogar einen gepanzerten Geldtransport ausgeraubt. Aber das sind alles Details, Harland. Aus der nationalen Perspektive sind es einfach unzufriedene Bürger. Und wie reagieren wir darauf? Wir ermuntern

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