Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
unzufriedene Bürger in Osteuropa dazu, sich auf die Hinterbeine zu stellen und ihre nationale Unabhängigkeit zu erklären, stimmt’s? Und wie gehen wir mit unseren eigenen unzufriedenen Bürgern um, Harland? Erklären wir ihnen den Krieg?«
    Harland biß die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl zu schweben. So, als würden die flauschigen Teppiche und die dezente Farbe und die fremdartige, leicht parfümiert wirkende Luft im Oval Office ihn ersticken.
    »Es sind Verbrecher«, wiederholte er. Etwas anderes fiel ihm im Augenblick nicht ein.
    Der Präsident nickte. Da war immer noch gewisses Mitgefühl.
    »Ja, das sind sie«, pflichtete er Webster erneut bei. »Aber sehen Sie das Bild doch aus der nationalen Perspektive, Harland. Sehen Sie, was ihr entscheidendes Vergehen ist. Ihr entscheidendes Vergehen ist, dass sie ihre Regierung hassen. Wenn wir darauf zu schroff reagieren, könnten wir eine Krise auslösen. Wie schon gesagt, es gibt vielleicht sechzig Millionen Amerikaner, die jederzeit abkippen könnten. Das ist dieser
Administration sehr wohl bewusst, Harland. Diese Regierung wird äußerst vorsichtig auftreten.«
    »Aber was ist mit Holly?«, fragte er. »Sie können sie doch nicht einfach opfern.«
    Ein langes Schweigen trat ein. Der Präsident drehte seinen Sessel immer noch nicht herum, wandte ihm den Rücken.
    »Ich kann auch ihretwegen nicht reagieren«, sagte er dann ruhig. »Ich darf mir einfach nicht erlauben, das persönlich zu nehmen. Können Sie das denn nicht begreifen? Eine persönliche, emotionale zornige Reaktion wäre falsch. Das wäre ein schlimmer Fehler. Ich muss abwarten und nachdenken. Ich habe mit dem General darüber gesprochen. Stundenlang haben wir darüber geredet. Offen gestanden, Harland, er ist sauer auf mich, und, um auch das offen zu sagen, ich kann es ihm nicht verübeln. Er ist so ziemlich der älteste Freund, den ich habe, und er ist sauer auf mich. Reden Sie also hier nicht von Opfer, Harland. Denn dieses Amt hier verlangt ständig Opfer von einem. Man muss ständig dem Wohl der ganzen Nation den Vorrang vor Freundschaft geben, vor all den eigenen Interessen, die man hat. Ständig muss man das. Genau das bedeutet es, Präsident zu sein.«
    Dann herrschte wieder langes Schweigen.
    »Und was haben Sie mir jetzt zu sagen, Mr. President?«, fragte Webster.
    Wieder ein langes Schweigen.
    »Ich sage Ihnen gar nichts«, erklärte der Präsident. »Ich sage, dass Sie persönlich die Kommandogewalt über diese Situation haben. Ich sage, kommen Sie am Montagmorgen zu Mr. Dexter, wenn es dann immer noch ein Problem gibt.«
     
    Niemand wartete im Wagen. Dafür waren alle zu unruhig. Sie stiegen aus und gingen ziel- und planlos in der kühlen Bergluft herum. Johnson und sein Adjutant schlenderten mit dem Fahrer ein Stück nach Norden und betrachteten die Stelle, die für den Kommandoposten vorgesehen war. McGrath, Brogan und Milosevic hielten sich als Dreiergruppe von den anderen abseits. McGrath rauchte, tief in Gedanken. Hie und da ging er zu dem Chevrolet und benutzte das Autotelefon. Er sprach
mit der Montana State Police, der Elektrizitätsgesellschaft, der Telefongesellschaft und der Forstverwaltung.
    Brogan und Milosevic gingen zu einem gepanzerten Fahrzeug. Keinem Panzer, eher einem Mannschaftswagen. Der Offizier, der ihnen mit dem Wagen entgegengekommen war, und vielleicht acht Soldaten hielten sich in der Umgebung des Fahrzeugs auf. Große wortkarge Männer, die im Windschatten der Felsen Zelte aufschlugen. Brogan und Milosevic nickten ihnen grüßend zu und schlenderten dann wieder zurück. Sie traten zu McGrath und warteten.
    Als vielleicht vierzig Minuten vergangen waren, hörten sie alle weit im Süden das schwache Dröhnen schwerer Dieselmotoren. Das Geräusch wurde lauter und kam dann um die Kurve herum. Es handelte sich um einen kleinen LKW-Konvoi. Große, schwerfällig wirkende Fahrzeuge auf überdimensionierten Fahrgestellen mit riesigen Rädern und gewaltigen Reifen, die sich mit mahlendem Geräusch bewegten. Sie kamen näher, bewegten sich langsam im niedrigen Gang. Der Offizier aus dem Wagen eilte ihnen entgegen. Zeigte ihnen, wo sie hinfahren sollten. Sie dröhnten langsam vorbei und hielten dann in Zweierreihen an der Stelle an, wo die Straße eine Art Pass zwischen den Felsen bildete.
    Es waren vier Fahrzeuge. Schwarze und grüne Tarnbemalung, Netzrollen an den Seiten, in Schablonenschrift aufgetragene Ziffern und große weiße Sterne. Die zwei vorderen

Weitere Kostenlose Bücher