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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Bauch liegend und bis zu den Achselhöhlen in Knochen steckend. Er stückelte fünf unterschiedliche Uniformen zusammen und fand zwei weitere Abzeichen. Auf einem stand : White Christian Identity , auf dem anderen Montana Constitutional Militia . Er reihte die fünf zersplitterten Schädel nebeneinander auf. Überprüfte die Zähne. Was er da vor sich liegen hatte, waren die Überreste von fünf Männern in mittleren Jahren, vielleicht zwischen vierzig und fünfzig. Die Führer, die verschwunden waren. Die Führer, die das Tempo nicht hatten mithalten können. Die Führer, die die Mitglieder ihrer Milizen verlassen, sie Beau Borken übergeben hatten.
    Die Decke der Höhle war zu niedrig, als dass Reacher über die Gebeine hätte hinwegklettern können. Er musste sie zur Seite schieben und durch sie hindurchkriechen. Die Ratten zeigten kein Interesse. Diese Knochen waren sauber genagt. Ihre nächste Mahlzeit lag in der Kaverne. Und dorthin schwärmten sie zurück. Er hielt die Taschenlampe vor sich und arbeitete sich tiefer in den Berg hinein, gegen die quietschende Flut aus Nagern.
    Er verlor sein Richtungsgefühl. Er hoffte zwar, dass er sich in westlicher Richtung bewegte, konnte das aber nicht mit
Sicherheit sagen. Die Decke der Höhle war jetzt nur noch einen halben Meter über dem Boden. Er kroch durch eine alte geologische Spalte, aus der man vor langer Zeit Erz abgebaut hatte. Es wurde noch enger. Jetzt war der Gang noch vierzig Zentimeter hoch. Es war kalt. Die Spalte wurde noch enger. Er hatte die Arme vor sich ausgestreckt, und die Spalte war jetzt zu eng, als dass er sich hätte zurückziehen können. Er kroch durch ein dünnes Rohr im Fels, über sich eine Milliarde Tonnen Berg und nicht die leiseste Ahnung, wo der Weg hinführte. Und die Taschenlampe fing an, den Geist aufzugeben. Die Batterie war verbraucht. Das Licht verblasste zu einem orangefarbenen Leuchten.
    Sein Atem ging angestrengt. Er zitterte. Nicht aus Erschöpfung. Aus Angst. Aus Entsetzen. Das war nicht das, was er erwartet hatte. Er hatte sich ausgemalt, dass er durch eine geräumige, verlassene Galerie schlendern würde. Nicht durch diesen engen Spalt im Felsgestein. Er schob sich mit dem Kopf voraus in den schlimmsten Albtraum seiner Kindheit. Er war jemand, der das meiste, was man sich vorstellen konnte, überlebt hatte, und jemand, der nur selten Angst hatte. Aber er hatte seit seiner frühesten Kindheit gewusst, dass er eine panische Angst davor hatte, im Dunkeln in einem Raum eingeschlossen zu sein, der zu eng war, als dass er sich darin mit seinem hünenhaften Körper umdrehen konnte. All die Albträume seiner Kindheit hatten davon gehandelt, dass er in einem feuchten, engen Raum eingeschlossen war. Er lag auf dem Bauch und presste die Augen zu. Lag da und keuchte und würgte. Zwang die Luft durch die Kehle hinein, die sich schließen wollte. Und dann schob er sich langsam, Millimeter für Millimeter nach vorn.
    Nach weiteren hundert Metern verlosch das schwache Licht der Taschenlampe schließlich ganz. Die Finsternis war jetzt total. Und der Felsspalt wurde noch enger. Er drückte jetzt seine Schultern nach unten. Er zwang sich in einen Raum hinein, der viel zu eng für ihn war. Sein Gesicht wurde zur Seite gedrückt. Er kämpfte darum, ruhig zu bleiben. Er erinnerte sich, was er zu Borken gesagt hatte: Die Menschen waren damals kleiner. Drahtige kleine Burschen, die nach Westen
wanderten und in den Eingeweiden des Berges ihr Glück suchten. Leute, halb so groß wie Reacher, die sich vielleicht auf dem Rücken in den Berg hineinschoben und auf die funkelnden Erzadern über ihnen einhämmerten.
    Er benutzte die erloschene Taschenlampe so wie ein Blinder seinen weißen Stock. Sie schlug einen halben Meter vor seinem Gesicht gegen massives Gestein. Er hörte das Klirren von Glas, das das Rasseln seines Atems übertönte. Er arbeitete sich weiter, tastete mit den Händen. Eine massive Wand. Der Tunnel ging nicht weiter. Er versuchte, sich nach rückwärts zu bewegen. Aber es ging nicht. Um sich mit den Händen rückwärts zu schieben, musste er die Brust anheben, um eine Hebelwirkung zu bekommen. Aber die Decke war zu niedrig, um das zu ermöglichen. Seine Schultern waren dagegengepresst. Er bekam keine Hebelwirkung. Seine Füße konnten ihn nach vorn schieben, aber ihn nicht rückwärts ziehen. Er erstarrte in Panik. Seine Kehle verkrampfte sich. Sein Kopf traf die Decke, und seine Wange spürte den rauen Boden. Er kämpfte gegen

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