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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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für den Direktor des FBI ein Problem. Denn sie beinhaltete eine jener Eigentümlichkeiten von Washington  – eine Besprechung ohne gußeiserne Rangordnung. Wer war der Ranghöhere? Beide waren vom Präsidenten selbst in ihr Amt berufen worden. Beide berichteten dem Präsidenten über nur zwei Mittelsmänner, entweder den Verteidigungsminister oder den Generalstaatsanwalt. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs nahm die höchste militärische Rangstufe ein, die das Land zu vergeben hatte. Der Direktor des FBI bekleidete die höchste Position im Gesetzesvollzug. Beide Männer hatten absolut die Spitze ihrer jeweiligen Kletterstange erreicht. Aber welche Kletterstange war höher? Für Webster war das ein Problem. Am Ende war es deshalb ein Problem für ihn, weil seine Stange in Wahrheit die kürzere war. Er kontrollierte einen Etat von zwei Milliarden Dollar und trug die Verantwortung für etwa fünfundzwanzigtausend Menschen. Der Vorsitzende verantwortete ein Budget von zweihundert Milliarden und war für etwa eine Million Menschen zuständig. Zwei Millionen, wenn man die Nationalgarde und die Reservisten dazuzählte. Der Vorsitzende befand sich etwa einmal die Woche im Oval Office. Webster kam zweimal jährlich hin, wenn er Glück hatte. Kein Wunder, dass diesem Typ hier ein besseres Büro zur Verfügung stand.
    Der Vorsitzende selbst war außerdem ein eindrucksvoller Mann. Ein Viersternegeneral, der eine spektakuläre Karriere hinter sich hatte. Er war praktisch aus dem Nichts gekommen und schneller aufgestiegen, als sein Schneider Litzen an seine Uniform nähen konnte. Am Ende hatte er so viele Orden und Medaillen an seiner Brust hängen gehabt, dass er ganz schief daherkam. Dann hatte Washington ihn sich geschnappt, und er war hier eingezogen und hatte sich hier festgesetzt, als ob das Pentagon ein Militärziel wäre. Webster hörte sein
Eintreffen im Vorzimmer und drehte sich um, als er sein Büro betrat.
    »Hallo, General«, sagte er.
    Der Vorsitzende deutete eine grüßende Handbewegung an und grinste.
    »Wären Sie daran interessiert, ein paar Marschflugkörper zu kaufen?«, fragte er.
    Webster sah ihn überrascht an.
    »Verkaufen Sie die?« sagte er. »Was für Marschflugkörper?«
    Der Vorsitzende schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Das war bloß ein Witz«, sagte er. »Abrüstung. Die Russen haben einen Bomberstützpunkt in Sibirien aufgelöst, also sollten wir jetzt die Marschflugkörper loswerden, die wir darauf ausgerichtet hatten. Vertragskonform, stimmt’s? Schließlich müssen wir fair sein. Die großen verkaufen wir an Israel. Aber wir haben noch ein paar Hundert kleine, wissen Sie, Stinger, von der Schulter zu startende Boden-Luft-Dinger. Alles überschüssig. Manchmal denke ich, wir sollten sie an die Rauschgiftdealer verkaufen. Schließlich haben die ja sonst auch weiß Gott alles, was sie wollen. Die meisten sind besser bewaffnet als wir.«
    Der Vorsitzende hatte inzwischen seinen Sessel erreicht und setzte sich. Webster nickte. Er hatte ähnliches Verhalten bei Präsidenten erlebt, Witze reißen, eine lockere Story erzählen, Mann zu Mann, um das Eis zu brechen, damit die Besprechung gut vonstatten ging. Der Vorsitzende lehnte sich zurück und lächelte.
    »Also, was kann ich für Sie tun, Direktor?«, fragte er.
    »Wir haben einen Bericht aus Chicago«, sagte Webster. »Ihre Tochter ist verschwunden.«

8
    Um Mitternacht war der Konferenzraum im zweiten Stock in Chicago als Kommandozentrale fertig eingerichtet. Den ganzen Abend lang waren Schwärme von FBI-Technikern am Werk gewesen, hatten Telefonleitungen in den Saal gelegt und auf dem Konferenztisch eine ganze Reihe von Computerterminals installiert. Jetzt, um Mitternacht, war der Raum dunkel und kühl und lag in völliger Stille da. Glänzende Schwärze vor der Glaswand. Kein hastiges Herumhuschen, um herauszubekommen, welche Tischseite die bessere war.
    Niemand war nach Hause gegangen. Auf den Ledersesseln hingen siebzehn Agenten herum. Selbst der Anwalt war noch da. Dafür gab es keinen richtigen Grund, aber der Mann verspürte dieselbe in drei Ebenen angeordnete Verantwortung, die sie alle empfanden. Das FBI kümmert sich um seine Leute. Das war Ebene eins. Das Außenbüro Chicago kümmert sich um Holly Johnson. Das war Ebene zwei. Nicht nur wegen ihrer Verbindungen. Das hatte nichts damit zu tun. Holly war Holly. Und Ebene drei war, dass McGrath, wenn er etwas wollte, das auch bekam. Wenn McGrath sich um Holly Sorgen machte,

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