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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Und deshalb waren diese drei irgendwie Amateure. Und sie hatten einen nagelneuen FBI-Agenten gekidnappt. Warum? Was zum Teufel konnte ein nagelneuer FBI-Agent jemandem zu Leide getan haben? Reacher hatte nicht die leiseste Ahnung. Und der nagelneue FBI-Agent sagte es auch nicht. Das war eine weitere Komponente, die er nicht enträtseln konnte. Aber nicht die wichtigste. Die wichtigste Komponente, auf die er sich nicht den geringsten Reim machen konnte, war, weshalb zum Teufel er sich eigentlich noch hier aufhielt.
    Wie er ursprünglich hineingezogen worden war, bereitete ihm kein Problem. Das war reiner Zufall gewesen, Zufall, dass er zu dem exakten Zeitpunkt neben Holly Johnson gestanden war, als man sie geschnappt hatte. Damit konnte er leben. Für Zufälle hatte er Verständnis. Das Leben bestand praktisch nur
aus Zufällen, auch wenn die Leute noch so sehr so taten, als ob es nicht so wäre. Und er vergeudete auch nie Zeit damit, darüber nachzugrübeln, wie die Dinge sich anders hätten entwickeln können, wenn dieses und jenes gewesen wäre. Es lag auf der Hand, dass er, wenn er eine Minute früher oder eine Minute später über jene ganz spezielle Straße in Chicago gegangen wäre, nie von dieser ganzen Geschichte erfahren hätte. Aber er war nicht eine Minute früher oder später dort aufgetaucht, und deshalb war es zu dem Zufall gekommen, über den er sich nicht den Kopf zerbrechen wollte. Das wäre reine Zeitvergeudung.
    Aber worüber er sich klar werden musste war, weshalb er immer noch hier lag, jetzt, knapp vierzehn Stunden später nach der Uhr in seinem Kopf. Er hatte zwei marginale Chancen und eine gusseisern sichere Gelegenheit zum Entkommen gehabt. Auf der Straße hätte er es sofort schaffen können. Wahrscheinlich. Daran hatte ihn die Möglichkeit gehindert, dass andere Personen zu Schaden gekommen wären. Und dann hätte er es auf dem verlassenen Platz, als man sie in den weißen Lieferwagen gedrängt hatte, schaffen können. Wahrscheinlich. Beide Male waren es drei gegen einen gewesen, aber das waren drei Amateure gegen Jack Reacher, und mit einer solchen Chance fühlte er sich durchaus wohl.
    Die gusseiserne Sicherheit war, dass er aus dem Kuhstall hätte entkommen können, etwa eine Stunde nachdem die drei Männer mit dem Truck von der Tankstelle zurückgekommen waren. Er hätte die Handschelle wieder abstreifen, die Wand hochklettern, sich in den Hof fallen lassen und abhauen können. Ein Kinderspiel, dann noch zur Straße hinunterzulaufen und zu verschwinden. Warum hatte er das nicht getan?
    Er lag in der pechschwarzen Dunkelheit völliger Entspannung und begann zu begreifen, dass Holly es war, die ihn zurückhielt. Er war nicht ausgestiegen, weil er kein Risiko eingehen wollte. Ihretwegen. Die drei Männer hätten in Panik geraten, sie erledigen und dann davonrennen können. Reacher wollte nicht, dass das passierte. Holly war eine kluge, mutige Frau. Intelligent, ungeduldig, selbstsicher und verdammt zäh. Auf eine scheue, ungezwungene Art attraktiv.
Dunkel, schlank, clever und voll Energie. Großartige Augen. Reacher fuhr auf Augen ab. Ein Paar schöne Augen, und er war verloren.
    Aber es lag nicht an ihren Augen und auch nicht an ihrem Aussehen, dass er noch hier war. Auch nicht an ihrer Intelligenz oder ihrer Persönlichkeit. Es war ihr Knie. Daran lag es. Ihr Mut und ihre Würde. Dass eine gut aussehende, mutige Frau sich geduldig mit einer ungewohnten Behinderung auseinander setzt, schien Reacher tapfer und edel. Das machte sie zu der Art von Mensch, für die er etwas übrig hatte. Sie setzte sich damit auseinander und machte ihre Sache gut. Sie beklagte sich nicht. Sie bat ihn nicht um Hilfe. Und weil sie ihn nicht darum bat, würde er ihr helfen.

10
    Um halb sechs Uhr am Dienstagmorgen saß FBI Special Agent Brogan allein in dem Konferenzraum im zweiten Stock und rief über eine der neu eingerichteten Telefonleitungen seine Freundin an. Halb sechs Uhr morgens ist nicht gerade der beste Zeitpunkt, um sich für die Nichteinhaltung einer Verabredung am Abend zuvor zu entschuldigen, aber Brogan war sehr beschäftigt gewesen und rechnete damit, dass es noch schlimmer werden würde. Also rief er an. Er weckte sie und erklärte ihr, er sei verhindert gewesen und würde das vermutlich auch den Rest der Woche sein. Sie war verschlafen und ärgerlich und ließ ihn seine Entschuldigung zweimal wiederholen. Dann entschied sie sich dafür, seine Mitteilung als eine Art feiges Vorspiel für den

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