Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Abteilungsleiter nickte. Er tippte das Bild des näher stehenden Mannes mit der Glock an. »Dieser Mann hier beispielsweise – wir sehen ihn ziemlich von der Seite. Der Computer kann uns ein Frontalbild
von seinem Gesicht liefern, überhaupt kein Problem, aber dabei muss er natürlich raten, wie die andere Seite seines Gesichts aussieht, ja? Er ist so programmiert, dass er annimmt, die andere Seite könnte ziemlich genauso wie die Seite aussehen, die er sehen kann, mit ein wenig eingebauter Asymmetrie. Aber wenn der Typ eine große Narbe hat oder ihm ein Ohr fehlt, dann kann der Computer das natürlich nicht erkennen.«
»Okay«, sagte McGrath. »Also, was brauchen Sie?«
Der Techniker nahm die Aufnahme, auf der die Gruppe zu sehen war. Deutete mit seinem dicken Zeigefinger darauf.
»Maße«, sagte er. »Sehen Sie zu, dass die so genau wie möglich sind. Ich brauche die Kameraposition relativ zur Tür und der Höhe des Bürgersteigs. Ich brauche die Brennweite des Objektivs. Ich brauche Hollys Foto aus den Akten, um kalibrieren zu können. Wir wissen doch genau, wie sie aussieht, nicht wahr? Deshalb kann ich sie für einen Testlauf benutzen. Ich werde es so einrichten, dass sie richtig rauskommt – dann werden die Männer auch richtig rauskommen, immer vorausgesetzt, dass sie alle zwei Ohren haben und so weiter, wie ich schon sagte. Und bringen Sie mir eine Fliese vom Boden dieses Ladens und einen von diesen Arbeitsmänteln, wie die Frau an der Theke ihn getragen hat.«
»Wozu?«, fragte McGrath.
»Damit ich die Grauwerte auf dem Video decodieren kann«, sagte der Techniker. »Dann kriegen Sie Ihre Fahndungsfotos in Farbe.«
Der Kommandant wählte sechs Frauen aus dem Strafkommando jenes Morgens aus. Er nahm die mit den meisten Minuspunkten, weil es sich um eine recht unangenehme, schwierige Aufgabe handelte. Er ließ sie antreten und baute sich vor ihnen in seiner ganzen Leibesfülle auf. Dann wartete er, welche von ihnen als erste den Blick von ihm abwenden würde. Als er zu seiner Befriedigung festgestellt hatte, dass keine von ihnen das wagte, schilderte er ihnen ihre Aufgabe. Das Blut hatte den ganzen Raum verspritzt, das kam von der wilden Kraft der Kreissäge. Überall lagen Knochensplitter herum. Er
sagte den Frauen, sie sollten im Küchenhaus Wasser heiß machen und es in Kübeln herübertragen. Außerdem forderte er sie auf, im Lager Schrubber und Lumpen und Desinfektionsmittel zu holen. Er sagte ihnen, sie hätten zwei Stunden Zeit, um dafür zu sorgen, dass der Raum wieder wie neu aussah. Wenn es länger dauerte, würde es weitere Strafpunkte geben.
Die Beschaffung der Daten nahm zwei Stunden in Anspruch. Milosevic und Brogan begaben sich zu der Reinigung. Nachdem sie den Laden geschlossen hatten, gingen sie wie Landvermesser ans Werk. Sie zeichneten einen Plan mit Maßen, die bis auf Zentimeter exakt waren. Die Kamera montierten sie ab und nahmen sie mit. Den Boden rissen sie auf und holten sich einige Fliesen. Von der Frau ließen sie sich zwei Arbeitsmäntel geben und requirierten zwei Poster von der Wand, weil sie dachten, dass das beim Kolorierungsvorgang helfen könnte. Der Cheftechniker im fünften Stock des FBI-Gebäudes brauchte weitere zwei Stunden, um die Daten einzugeben. Dann ließ er das Testprogramm ablaufen und benutzte Holly Johnsons Archivfoto, um es zu kalibrieren.
»Was meinen Sie?«, fragte er McGrath.
McGrath musterte das Porträtbild von Holly scharf und reichte es dann herum. Milosevic bekam es als Letzter und sah es am aufmerksamsten an. Er deckte einige Teile davon mit der Hand ab und runzelte die Stirn.
»Da sieht sie zu schmal aus«, sagte er. »Ich glaube, das rechte untere Viertel stimmt nicht. Irgendwie nicht breit genug.«
»Ja, das finde ich auch«, sagte McGrath. »Irgendwie wirkt ihre Kinnpartie unecht.«
Der Techniker rief ein Untermenü auf und gab dort ein paar Zahlen ein. Ließ den Test dann erneut ablaufen. Der Laserdrucker summte. Ein bedrucktes Fotopapier kam heraus.
»So ist’s besser«, sagte McGrath. »Ich würde sagen, auf den Punkt genau.«
»Ist die Farbe in Ordnung?«, fragte der Techniker.
»Ein wenig dunkler vielleicht«, sagte Milosevic. »Ihr pfirsichfarbenes Kleid, meine ich. Das kenne ich nämlich. Das Teil kommt aus Italien.«
Der Techniker rief eine Farbpalette auf.
»Zeigen Sie es mir«, sagte er.
Milosevic deutete auf eine ganz bestimmte Schattierung.
»Eher so«, sagte er.
Sie führten den Test erneut durch. Der
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