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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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erzählen würde, dass ich verschwunden war. Aber mit Rocky redete niemand.
    Rocky könnte sich alles mit Leichtigkeit denken. Vermutlich hatte er es auch schon getan. Aber aus irgendeinem Grund machte ich mir seinetwegen keine Sorgen. Warum? Mein Bauch gab mir die Antwort: »Weil er in dich verliebt ist.«
    Als Ian an der Tankstelle zur Toilette ging, stand ich im Gang mit den Snacks und wählte auf meinem Handy die Nebenstelle des unteren Bereichs der Bibliothek. Ich wusste, dass Sarah-Ann rangehen würde. Das tat sie auch.
    »Ich wollte mich nur mal melden«, sagte ich.
    »Oh!« Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie dasaß, um sie herum Bücher, die sie nicht in die Regale einordnen konnte, und ein Magazin las, das sie von oben mitgenommen hatte. »Bist du zurück?«
    »Nein, bin ich nicht – ich fürchte, ich brauche noch einige Tage. Meine Freundin ist sehr krank, und ich kümmere mich um die Kinder. Es ist schlimmer, als ich dachte.«
    »Oh, mein Gott, ich bin sicher, dass du ein Segen für sie bist!«
    »Kannst du alles für eine Weile managen?«
    »Ja. Ach, wir mussten den Computer neu installieren, weil da irgendetwas schiefgegangen ist. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung – und ja, es ist wundervoll!«
    Ich wollte mir nicht die Mühe machen und überlegen, was das bedeuten konnte, ich sagte: »Am Freitag um sechzehn Uhr dreißig ist Lesestunde.«
    »Oh, ja, stimmt.«
    »Ja, es geht um Die Borger von Mary Norton. Das Buch über die kleinen Menschen, die Sachen stehlen. Es müsste in der obersten Schublade links sein.«
    »Ich sehe nichts außer Heftklammern!«
    »Das ist die rechte Seite, schau links.«
    »Oh, gut! Wo soll ich anfangen?«
    »Da, wo das Lesezeichen ist.«
    »Lucy, hör zu, du musst mit Rocky sprechen. Er hat versucht, dich zu erreichen. Hat er dich erreicht? Es gab etwas schrecklich Wichtiges. Soll ich dich mit ihm verbinden?«
    »Nein, ich rufe ihn an. Sag ihm, dass ich ihn bald anrufen werde.« Ich legte auf, kaufte Schokoladenkekse und eine Packung Tampons.
    Wie man wie ein zehnjähriger Junge joggt:
Man fuchtelt wild mit den Armen, wie beim Schattenboxen.
Man hebt die Knie sehr hoch. Nicht vergessen: Das Vorwärtskommen ist nicht das wichtigste Ziel.
Bei jedem Schritt schreit man »Los!«.
    Als ich zum Auto zurückkam, teilte ich Ian mit, dass wir in Pittsburgh halten müssten, aber danach wäre es Zeit, zu entscheiden, wo die Reise hingehen sollte. Mit meinem Schweizer Armeemesser strichen wir Erdnussbutter auf die Cracker aus Ians Rucksack. Wir beobachteten den Strom der Reisenden, die sich die Hände am Hintern abwischten, als sie in die Shell-Tankstelle gingen.
    »Ich bin entscheidungsmüde.«
    »Okay, aber das ist deine Reise. Wenn du mir nicht sagst, wohin wir fahren sollen, bringe ich dich nach Hause.« Ich hatte das Gefühl, dass ich das aus juristischen Gründen sagte, als würden diese Worte vor Gericht eine Wirkung haben. Ich bin nicht mit ihm irgendwohin gefahren, Euer Ehren, wohin er nicht wollte! Abgesehen von einem kleinen Mafia-Umweg nach Pittsburgh!
    Ian blätterte zornig im Straßenatlas, genauso wie er vor wenigen Monaten durch Blaubeeren für Sal geblättert hatte. »Warum bin ich an allem schuld?«
    »Ich denke nicht, dass du an allem schuld bist. Wie meinst du das genau?«
    »Du drehst es so, dass ich die bösen Sachen mache, ich soll sagen, wo wir hinfahren. Du hast nichts Böses gemacht, nur ich.«
    »Hmmm …«
    »Aber eigentlich bist du die Schlimme. Du bist die Entführerin.« Er grinste.
    »Ich glaube, du hast deine Bibliothekarin entführt«, sagte ich. »Und jetzt musst du dich für einen Ort entscheiden, wenn nicht, suche ich ihn aus. Was ich wählen würde, ist Hannibal, Missouri.«
    Er klappte das Buch zu und schlug es nach dem Zufallsprinzip wieder auf. »Vermont.« Es befand sich in der Mitte des Atlas, auf der gleichen Seite wie New Hampshire. »Von dort kamen die Green Mountain Boys. Ich weiß alles über sie. Und es war ein eigener Staat. Nur Vermont und Texas waren jemals selbständig. Oh, und Hawaii.« Ich fürchtete schon, er würde wieder anfangen, dieses Lied zu singen, aber er war ernst. Vermont war mir zu weit weg, aber es war genauso logisch, die Lösung des Problems dort zu suchen wie anderswo. Trägheit würde uns zumindest bis zur Hälfte der Strecke bringen.
    »Okay«, sagte ich, »schnall dich an.«
    »Außerdem wohnt dort wirklich meine Großmutter.«
    Einige der vielen Fragen, die dir einfallen, wenn du einen zehnjährigen

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