Ausgelöscht
aber es katapultierte ihn zweifelsohne in die Spitzengruppe der Verdächtigenliste.
»Es tut mir Leid«, sagte Billy.
Er klang glaubwürdig, aber dass es ihm Leid tat, machte die Sache nicht ungeschehen. »Warum hast du das getan?«, fragte Clevenger.
»Keine Ahnung. Niemand ist je so gut zu mir gewesen wie du. Wie heute Nacht. Ich dachte, du würdest mich rausschmeißen oder so. Du hast es nicht getan. Also wollte ich dir die Wahrheit darüber sagen, was ich getan habe.«
Der Psychiater in Clevenger verstand zwei Dinge in Bezug auf Billy: dass er zwangsläufig Clevengers Liebe auf die Probe stellen würde und dass er leicht zum Spielball von anderen Männern werden konnte, die ihn väterlich behandelten. Wenn Jet Heller ein Buchmacher gewesen wäre, würde Billy vermutlich längst Stunden und Aberstunden damit zubringen, in irgendeiner Bar in Chelsea Wetten anzunehmen, statt im OP des Mass General Wundhaken zu halten.
Aber es gab einen anderen Teil von Clevenger, einen verletzlicheren, vielleicht einfach bloß menschlicheren Teil, der sich noch immer von seinen Instinkten leiten ließ, statt von der Vernunft. Und dieser Teil von ihm war fuchsteufelswild darüber, von jemandem hintergangen worden zu sein, für den er wirklich alles getan hatte. »Du hast mich angelogen«, sagte er. »Und du hast eine Mordermittlung gefährdet.«
»Willst du, dass ich gehe?«, fragte Billy.
Clevenger blickte ihn an, sah, dass es bei der Frage nicht darum ging, den Raum zu verlassen, sondern für immer aus dem Loft fortzugehen. Billy erprobte die Grenzen von Clevengers Liebe, aber er erprobte auch seine Fähigkeit, Grenzen zu setzen, Billys Charakter zu formen, soweit das bei einem Achtzehnjährigen noch möglich war. »Du musst nicht gehen«, erklärte Clevenger. »Ich liebe dich. Wenn das hier mit uns nicht klappt, wäre das so ziemlich das Schlimmste, was mir in meinem Leben passiert ist.« Er gab Billy Gelegenheit, das erst einmal zu verdauen, bevor er fortfuhr. »Aber wenn du mich bestiehlst und meine Arbeit torpedierst, dann bleibt uns keine andere Wahl.« Er sah Billy durchdringend in die Augen. »Dann kannst du nicht länger hier bleiben.«
»Es wird nicht wieder vorkommen. Nie.«
Clevenger nickte. »Du sprichst nie wieder mit Jet Heller. Verstanden? Er hatte kein Recht, dich auf diese Weise auszunutzen. Er ist nicht dein Freund. Und ich weiß nicht, warum er so genau über die Ermittlungen Bescheid wissen wollte. Ich weiß praktisch überhaupt nichts über ihn. Und du auch nicht.«
»Okay«, sagte Billy.
Clevenger fragte sich, ob Billy ihm nur nach dem Munde redete. Aber er war zumindest etwas beruhigt durch die Tatsache, dass Billy freiwillig mit der Information über Heller herausgerückt war. So viel Verantwortung für seine Taten hatte er wenigstens übernommen. »Versuch, etwas zu schlafen«, sagte er. »Wir kommen da schon durch. Und wir werden einen Weg finden, um die Sache mit Casey ins Reine zu bringen.«
»Ich weiß, dass ich deine Hilfe nicht verdiene.«
»Weißt du was?«, sagte Clevenger. »Es wird langsam Zeit, dass du aufhörst, das ständig zu beweisen.«
18
8 Uhr
Clevenger hatte nicht länger als zehn Minuten am Stück gedöst, zusammengenommen weniger als eine Stunde Schlaf. Um 5 Uhr früh war er schließlich aufgestanden, hatte sich bei der Autovermietung am Logan-Flughafen einen Ford Explorer bestellt und bringen lassen. Er wusste genau, wohin er als Erstes fahren würde.
Er rief Jet Hellers Büro an, und Sascha Monroe meldete sich.
»Frank Clevenger hier«, sagte er.
»Schön, Ihre Stimme zu hören.«
»Geht mir genauso.« Er machte eine kurze Pause, in Anerkennung der unausgeloteten Verbindung, die eindeutig zwischen ihnen bestand. »Ich muss unbedingt mit Jet sprechen.«
»Er ist nicht hier.«
»Den ganzen Tag nicht?«
»Er hat gesagt, er würde gegen elf kommen. Er hat seinen ersten OP-Termin abgesagt. Der war um sechs angesetzt.«
»Ich wusste gar nicht, dass der große Heller Operationen absagt.«
»Nicht ein einziges Mal in den fünf Jahren, die ich ihn jetzt kenne.«
»Ist mit ihm alles in Ordnung?«
»Das sollten Sie ihn selbst fragen, wenn Sie herkommen.«
»Machen Sie sich Sorgen um ihn?«
»Er hat das kleine Mädchen verloren. Das mit dem Aneurysma, bei dessen Operation Billy zugeschaut hat.«
»Ich weiß.«
»Aber ich glaube, es ist nicht nur das.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es hat angefangen, als er John Snow verloren hat.« Sie hielt kurz inne. »Ich weiß
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