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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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etwas anzutun, wieder einmal. Ich glaube, sie hatte sich schon bei früherer Gelegenheit die Pulsadern aufgeschnitten oder etwas Ähnliches.«
    »Klingt nach Borderline-Syndrom«, sagte Clevenger und meinte damit eine Persönlichkeits
störung
, die sich durch Symptome wie intensive, instabile Beziehungen, übersteigerte Angst vor dem Verlassenwerden und wiederholte Selbstmorddrohungen auszeichnet.
    »Ich besitze nicht das nötige Rüstzeug für eine Diagnose«, sagte Heller. »Ich weiß nur, dass sie sehr schön, sehr reich und sehr labil ist. Sie ist verheiratet. Hat irgendwo in der Stadt eine Galerie.«
    Clevenger schwieg, doch sein Puls raste. Plötzlich überkam ihn das ungute Gefühl, dass seine Mitarbeit am Snow-Fall bereits vor dem Besuch im Leichenschauhaus begonnen hatte. »Hat Snow ihren Namen erwähnt?«, fragte er Heller.
    »Er hat sie Grace genannt«, antwortete Heller. »Ich weiß nicht, ob das ihr richtiger Name war, und ich habe nie nachgefragt.« Heller bemerkte Clevengers blasses Gesicht. »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
    »Hat er zufällig erwähnt, in welcher Branche ihr Mann tätig ist?«, fragte Clevenger. Und dann wartete er stumm darauf, dass sein Tag wieder zu seinem Anfangspunkt zurückkehrte, wie ein Bumerang. Eine Sekunde, zwei, drei …
    »Ich weiß, dass sie in der Hinsicht sehr verschwiegen war. Praktisch paranoid. Sie sagte, sie wolle nicht länger im Schatten ihres Mannes stehen. Sein Eigentum sein. Aber ich bin ziemlich sicher, dass sie gesagt hat, es wäre die Bankenbranche. Ja, ganz sicher. So viel hat sie ihm verraten.«
    Begegnungen
    Ein anderer Wintertag, ein Jahr zuvor
    Snow hatte gerade die Einführungsrede bei einer Konferenz über Radartechnologie im Four-Seasons-Hotel an der Tremont Street gehalten. Er trat aus dem Hotel. Der Himmel war grau. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Snow konnte den Gedanken, wieder hineinzugehen, nicht ertragen, daher überquerte er die Straße und verschwand in den Parkanlagen des Public Garden.
    Er hatte einige Stunden frei bis zu seinem nächsten Termin – eine Podiumsdiskussion über Raketenfrühwarnsysteme. Wäre er in der Hotellobby geblieben oder auf den Konferenzempfang gegangen, wäre er lauter Ingenieuren begegnet, die unermüdlich versucht hätten, seinen Rat zu irgendeinem technischen Problem einzuholen. Was sie anscheinend nie begriffen, war, dass er sein Wissen nicht vermitteln konnte. Am M. I. T. hatte er überwältigenden Erfolg als Forscher gehabt, aber als Lehrer hatte er sich als totaler Fehlschlag erwiesen. Wie sollte er eine plötzliche Inspiration, eine Offenbarung lehren? Die Fakten in seinem Kopf waren wirkungslos, bis eine über ihm stehende Macht sie zum Leben erweckte und sie in die Keime von Ideen verwandelte. Diese Ideen wuchsen ohne sein Zutun weiter, trieben aus, wo immer es nötig war. Im Grunde war er nicht mehr als ein Plagiator der Erfindungen, die in ihm geboren wurden.
    Er schlenderte an der Eislaufbahn des Parks vorbei, sah die fröhlichen Gesichter der Kinder und ihrer Eltern, die über das Eis glitten. Er selbst hatte wenig Zeit für derartige Vergnügungen. Die kreative Kraft in ihm trieb ihn sieben Tage pro Woche, zweiundfünfzig Wochen pro Jahr. Er hatte eine Frau, einen Sohn und eine Tochter, ein luxuriöses Haus, genug Geld, um nie wieder auch nur einen Tag lang arbeiten zu müssen. Aber er war die Geisel jener Kraft, und das stellte alles andere in den Schatten.
    Der Park endete an der Arlington Street. Er überquerte sie und schlenderte die Newbury hinunter. Er erinnerte sich an ein Café drei Blocks weiter und beschloss, dort Halt zu machen und einen Espresso zu trinken. Doch binnen Minuten war der Himmel pechschwarz, und Eisregen schüttete wie aus Kübeln herab. Und gerade als der Himmel seine Schleusen öffnete, sah Snow zufällig in das nächstgelegene Schaufenster und erblickte die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
    Sie war Mitte dreißig, hatte kastanienbraunes Haar und den Körper einer Meerjungfrau, den ihr schlichtes schwarzes Kleid gekonnt betonte – und sie erwiderte seinen Blick aus unbeschreiblich grünen Augen. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn schon einige Zeit beobachtet hatte. Den Bruchteil einer Sekunde lang fragte er sich, ob sie wirklich existierte oder nur eine weitere Ausgeburt seiner Fantasie war.
    Er betrat das Geschäft und war unvermittelt umgeben von erlesenen Ölgemälden, die inmitten von Lichtinseln an den Wänden hingen. Es waren

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