Ausgelöscht
Verbindungen zu den Geheimdiensten. Es gibt etliche Artikel über ihn in den Fachzeitschriften der Rüstungsindustrie. Wie’s aussieht, wird Snow-Coroway Engineering von Snows Einfallsreichtum und Coroways Verbindungen getragen. Fünfundachtzig Prozent der Aufträge kommen von der Regierung. Radarsysteme, Sonar, Raketentechnologie.«
»Und die beiden haben sich darüber gestritten, ob sie mit dem Unternehmen an die Börse gehen sollen.«
»Die beiden haben sich bekriegt. Die klassische Konfrontation. Der Mann mit dem Geschäftssinn gegen den Mann mit den großen Ideen. Coroway war der Buchhalter. Snow war der Träumer. Da muss man sich schon fragen, wie verbissen die Schlacht war.«
»Sehe ich genauso«, sagte Clevenger. Die Liste der Leute, die Snow den Tod gewünscht haben könnten, wurde immer länger. Wenn Collin Coroway von Snows Absicht erfahren hatte, die persönliche Beziehung zwischen ihnen aufzulösen und damit potenziell zu einem direkten Konkurrenten zu werden, könnte er beschlossen haben, ihre Partnerschaft mit einer Kugel zu beenden. »Er ist nicht der Einzige, der genauer unter die Lupe genommen werden muss«, sagte Clevenger. »Ich komme gerade von Jet Heller. Er hat mir ein Geheimnis verraten: Snow hatte eine Affäre – mit meiner Patientin von heute Morgen, Grace Baxter.«
»Die zufälligerweise aussah, als wäre sie dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen«, bemerkte Anderson.
»Du hast meine Gedanken gelesen.«
»Das ist eine beängstigende Vorstellung. Siehst du sie wieder?«
»Gleich morgen früh. In der Zwischenzeit wäre es nett, herauszufinden, wo Collin Coroway heute um fünf Uhr früh war.«
»Treten wir damit nicht Detective Coady auf die Zehen?«
»Ganz bestimmt.«
»Du kannst ihm ja meine Entschuldigung ausrichten«, sagte Anderson. »Ich hab nie Tanzen gelernt.«
»Entschuldigung angenommen.«
»Ich meld mich später wieder.« Er legte auf.
Clevenger fuhr über die Hanover Street Bridge aus Boston heraus und erreichte den Somerville Boxing Club ein paar Minuten zu früh.
Billy sparrte im Ring, der die Hälfte der Halle einnahm. Nackte Glühbirnen brannten an der Decke. Um den Ring herum waren fünfzehn oder zwanzig andere Teenager damit beschäftigt, auf Sandsäcke einzuschlagen, Gewichte zu stemmen und Seil zu springen. In der Halle herrschten gut und gerne dreißig Grad, und es roch, als hätte das Mauerwerk den Schweiß von den Hunderten von Boxern aufgesogen, die hier trainiert hatten und von denen es einige, wie Billy, bis zu den Golden-Glove-Amateurmeisterschaften und einer, Johnny Ruiz, sogar zum Schwergewichtsweltmeister gebracht hatten.
Clevenger schlenderte in die hintere Ecke der Halle, lehnte sich gegen die Ytongwand und schaute Billy dabei zu, wie er mit kurzen Jabs auf seinen Gegner einhieb, einen etwas kleineren Jungen mit massigen Schultern, der sich hinter seine Fäuste duckte und zurückwich.
»Schätz ihn in Ruhe ab«, rief Trainer Buddy Donovan, ein Mann über sechzig, dessen rechter Haken einem noch immer das Genick brechen konnte, von der Seite des Rings. Er trug einen schlichten, altmodischen grauen Trainingsanzug mit dem aufgedruckten Schriftzug S. B. C. auf dem Rücken. »Warte auf deine Gelegenheit.« Er bemerkte Clevenger und nickte ihm zu.
Clevenger nickte zurück, dann sah er zu, wie Billy eine harte Rechte gegen den Kiefer seines Gegners krachen ließ. Der Junge sah aus, als würde er in die Seile gehen, aber im letzten Moment fing er sich.
Keine Frage, Billy konnte kämpfen. Er war stark und blitzschnell und verfügte über eine große Reichweite. Er hatte seinen Körper gestählt, bis sein Torso anmutete wie eine Rüstung. Doch er besaß mehr als Muskeln und gute Reflexe. Er besaß den Instinkt eines Kämpfers. Er konnte die Strategie seines Gegners erahnen und die eigene dementsprechend anpassen, erkannte instinktiv die Schwächen des anderen und machte sie sich zunutze. Er hatte den Sport studiert, hatte Bücher darüber gelesen, hatte sich wieder und wieder Videos mit den Boxlegenden angesehen: Marciano. Liston. Ali. Frazier. Foreman. Leonard.
Es war Billys Idee gewesen, mit dem Boxen anzufangen, aber Clevenger hatte ihn unterstützt. Er fand, dass es eine gute Methode für Billy wäre, etwas von seiner Wut herauszulassen, sodass er sich dafür nicht auf den Straßen von Chelsea ein Ventil suchen musste.
Er hatte Billy zwei Jahre zuvor adoptiert, nachdem er den Mord an Billys kleiner Schwester auf Nantucket aufgeklärt
Weitere Kostenlose Bücher