Ausgelöscht
ich sage, der Kampf ist vorbei, dann ist der Kampf vorbei. Verstanden?«
Billy rieb sich mit den Handschuhen die Augen, wie ein kleiner Junge, der aus einem Traum erwacht. »Tut mir Leid«, sagte er. Er wischte sich die Nase ab und starrte auf das Blut.
»Geh unter die Dusche und kühl dich erst mal ab, Herrgott noch mal«, befahl Donovan. Er drehte sich um und ging zu dem anderen Jungen, der sich wieder aufgerichtet hatte, aber noch immer wackelig auf den Beinen war.
Billy sah zu Clevenger, der außerhalb des Rings stand.
»Zieh dich an«, sagte Clevenger. »Ich fahr dich nach Hause.«
Donovan gesellte sich zu Clevenger, während Billy im Umkleideraum verschwand. »Er hat das Zeug zum Boxer, Doc. Er könnte es eines Tages zum Profi bringen, wenn er es wirklich will. Er muss nur lernen, sich zu beherrschen.«
»Ja, das muss er.«
»Denn jemand mit mehr Erfahrung als Nicky hätte ihn auf die Bretter geschickt, als er angefangen hat, ziellos um sich zu schlagen.«
Clevenger machte sich aus einem gänzlich anderen Grund Sorgen wegen Billys mangelnder Selbstbeherrschung als Donovan. »Er hat auch nicht aufhören können, als Sie es ihm gesagt haben«, bemerkte er.
»Deswegen würde ich mir keinen Kopf machen. Diese Jungs kommen beim Trainieren ganz schön auf Touren, und sie können nicht auf Stichwort abschalten. Das kommt mit dem Alter und der Erfahrung.«
»Wollen wir’s hoffen«, sagte Clevenger.
»Ich bin schon lange in diesem Geschäft«, erklärte Donovan. Er klopfte Clevenger auf die Schultern und verschwand ebenfalls im Umkleideraum.
Clevenger setzte sich Richtung Ausgang in Bewegung, musterte dabei die anderen Jungs, die schwitzend ihr Training absolvierten. Er hätte gern geglaubt, dass Donovan Recht hatte, dass Billy nicht anders als sie war, dass die Bremsen seines achtzehnjährigen Nervensystems einfach von Zeit zu Zeit nicht griffen. Doch Clevenger kannte Billy besser als Donovan. Er kannte Billys gewalttätige Ausbrüche außerhalb des Boxrings, all die Gelegenheiten, bei denen er andere Jungs verprügelt hatte, bis sie blutend und mit gebrochenem Kiefer und Gehirnerschütterung auf dem Pflaster lagen.
Und er wusste noch etwas anderes über Billy, denn er wusste es von sich selbst. Wenn man das Opfer eines brutalen Vaters gewesen war, dann sickerte Brutalität in die eigene Psyche ein. Die Gesetze der Energieerhaltung gelten für den Verstand ebenso wie für die Planeten. Wenn ein Mann seine Wut an einem ausließ, war das wortwörtlich zu verstehen. Man kann sie entweder fühlen und mit aller Kraft darum kämpfen, sich davon reinzuwaschen, oder man kann versuchen, sie zu ignorieren, wodurch sie nur stärker und stärker wird, bis sie – ob durch Depression oder Aggression – jeden Winkel der Seele beherrscht.
Während Clevenger im Pick-up auf Billy wartete, wanderten seine Gedanken abermals zu Grace Baxter. Er überlegte, sie anzurufen, um sich zu vergewissern, dass sie die Absicht hatte, ihren Termin einzuhalten. Doch er befürchtete, dass sie ihn am Telefon festhalten könnte, und er versuchte immer, sich ganz auf Billy zu konzentrieren, wenn sie zusammen waren.
Billy kam in voller Teenager-Aufmachung aus der Sporthalle: schwarzes Aéropostale-T-Shirt, übergroße Army-Hosen, die sackgleich von den Hüften herunterhingen, und nicht zugeschnürte Nike-Basketballstiefel. Im linken Ohr blitzten wieder die drei silbernen Ohrringe. Er trug auch wieder das Lederhalsband. Er kam betont breitbeinig daherstolziert, wie ein Kind, das einen harten Burschen aus einem Film nachahmt.
Er stieg ein und starrte nach vorn durch die Windschutzscheibe. »Danke fürs Abholen.«
»Kein Problem.«
Clevenger bog aus der Parklücke und fuhr den Broadway hinunter Richtung Route 99, auf den Heimweg nach Chelsea.
»Ich hab mich von Casey getrennt«, verkündete Billy.
Billy war seit zwei Jahren mit Casey Simms zusammen gewesen, einer Siebzehnjährigen aus Newburyport, eine Stunde Fahrt auf der 95 North entfernt. Clevenger fragte sich, ob Billy mit der Bekanntgabe seiner Trennung zu erklären versuchte, warum er im Ring ausgerastet war. »Das hatte ich nicht erwartet«, sagte Clevenger. »Ich hatte immer den Eindruck, ihr beide würdet euch gut verstehen.«
»Sie hat aus heiterem Himmel angefangen, total zu klammern. Obereifersüchtig.«
»Aus heiterem Himmel. Irgendeine Ahnung, warum?«
»Sie ist ’ne Frau«, erwiderte Billy, ohne den Blick von der Straße zu lösen.
»Bist du damit einverstanden? Mit
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