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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Stunden an?« Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen. »Was wissen Sie denn überhaupt über Grace, Dr. Clevenger? Haben Sie sich auch nur die Mühe gemacht, sich ihre Krankenakte zu besorgen, bevor Sie das Gespräch mit ihr hatten? Haben Sie mit ihrem vorigen Psychiater gesprochen?«
    Diese Fragen weckten in Clevenger eine weitere unangenehme Erinnerung an seine Therapiesitzung mit Grace Baxter – wie mühelos ihr der »Contract for Safety«über die Lippen gekommen war, so dass er sich gefragt hatte, ob wohl schon andere Psychiater sich Sorgen um ihre Sicherheit gemacht hatten. Doch er hatte sie nicht danach gefragt.
    »Drei Selbstmordversuche«, sagte Reese. »Neun Einweisungen in die Psychiatrie.«
    Clevenger senkte kurz den Blick, dann zwang er sich, Reese abermals in die Augen zu sehen.
    »Und Sie hatten nicht eine Stunde für sie Zeit, am Ende Ihres geschäftigen Tages vielleicht? Wurden Sie woanders erwartet?«
    »Der Tod Ihrer Frau tut mir sehr Leid«, sagte Clevenger.
    Reese beugte sich vor und flüsterte Clevenger ins Ohr. Sein Atem hatte unverkennbar vierzig Prozent. »Gehen Sie ruhig hinauf ins Schlafzimmer und sehen Sie sie sich gut an. Sehen Sie sich an, was Sie getan haben.« Er trat beiseite.
    Clevenger ging an ihm vorbei und die geschwungene Treppe in den ersten Stock hinauf. Anderson folgte dicht hinter ihm. Vom Ende des Korridors schallte Mike Coadys Stimme herüber, und Clevenger hielt darauf zu. Er betrat das Schlafzimmer und erstarrte.
    Anderson legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie muss umhergetaumelt sein, bevor sie schließlich aufs Bett gefallen ist.«
    Die Steppdecke war zurückgeschlagen und gab den Blick auf Grace Baxter frei, die nackt auf dem blutgetränkten Laken lag. Die Wände und der Teppich waren blutbespritzt. Einer der hellblauen Samtvorhänge, die vor den Fenstern hingen, war heruntergerissen und lag in einem blutbefleckten Knäuel auf dem Boden.
    Clevenger ging über die Plastikbahn, die die Spurensicherung ausgerollt hatte, zum Bett und betrachtete Grace. Rubinrote Schnitte zogen sich kreuz und quer über ihren Hals – die Verstümmelungen blanker Verzweiflung. An den Handgelenken prangte jeweils ein einzelner horizontaler Schnitt. Sie trug noch immer ihre Diamantarmbänder und die Rolex. Der Schmuck war blutverschmiert.
    Coady trat an die gegenüberliegende Seite des Betts. »Patientin von Ihnen?«
    »Sie hat mir gesagt, sie fühlten sich wie Handschellen an«, sagte Clevenger.
    »Hä?«
    »Die Armbänder«, erklärte er. »Die Uhr.«
    »Ziemlich teure Handschellen.«
    »Allerdings.«
    »Sie hat beide Halsschlagadern erwischt«, sagte Coady. »Das Badezimmer sieht noch schlimmer aus.«
    »Womit hat sie es getan?«
    »Mit einem Teppichmesser. Sie renovieren gerade den zweiten Stock. Ihr Mann sagt, es muss einem der Handwerker gehören.«
    Clevenger nickte.
    »Sie hat ihm einen Brief hinterlassen«, sagte Coady. Er hielt ihm einen Plastikbeutel mit einem DIN-A-5-großen Briefbogen darin hin.
    Clevenger nahm den Beutel. Das Blatt Papier war blutbespritzt, aber lesbar.
    Mein Liebster,
    ich kann nicht mehr weitermachen. Jede Nacht, wenn ich einschlafe, und jeden Morgen, wenn ich aus dem Schlaf auftauche, sind mir nur wenige kurze Momente vergönnt, in denen ich mich lebendig fühle, bevor ich vollends erwache und erkenne, wozu mein Leben verkommen ist. Stelle Dir vor, wie es ist, einen ganzen Tag und eine ganze Nacht mit diesen kurzen Augenblicken des Glücks auskommen zu müssen, einer so lieblichen, flüchtigen Illusion von Freiheit, und Du wirst vielleicht verstehen und sogar verzeihen, was ich getan habe.
    Ich erinnere mich an jeden unserer Küsse, an jede Berührung. Jedes Mal, wenn Du in mich eingedrungen bist, bin ich in Dich eingedrungen. Ich bin geflohen und habe meinen Schmerz hinter mir gelassen. Ich schaffe es allein nicht.
    Es war falsch von mir, Dich zum Mittelpunkt meines Glücks zu machen. Dein Leben gehört Dir. Doch die Vorstellung, dass Du mich verlässt, verdunkelt meinen Horizont so sehr, dass ich keine Zukunft mehr sehe und nicht ertragen kann, auch nur noch einen Schritt daraufzu zu machen.
    Bitte verzeih mir, alles.
      Auf ewig Dein,
      Grace
    »Ihr Mann sagt, sie hätten überlegt, sich zu trennen«, sagte Coady. »Er war schon bei einem Anwalt gewesen.«
    Clevenger gab ihm den Plastikbeutel zurück. »Können wir irgendwo ungestört reden?«
    »Kommen Sie mit.«
    Clevenger folgte Coady über eine weitere Plastikbahn ins Badezimmer. Die

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