Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
Spiel, das Grace ihm beigebracht hatte, ein Spiel der Intuition, bei dem einer von ihnen erraten musste, was der andere sich wünschte. Dabei mussten Lippen und Finger sich durch die leiseste Veränderung des Atems führen lassen, durch das Aufrichten der Härchen auf der Haut, das An- oder Entspannen eines Muskels. Ein Seufzen. Ein Schaudern.
    Er war hoffnungslos schlecht gewesen, als sie das Spiel das erste oder zweite oder zehnte Mal spielten, und sie hatten zusammen darüber gelacht. Es gelang ihm nicht, ihre Bedürfnisse zu erahnen. Sie musste seine Hand dorthin führen, wo sie gestreichelt werden wollte, musste ihn an sich ziehen, wenn sie wollte, dass er sie in den Armen hielt, musste ihm die geheimen Schlüssel zu ihrer Lust ins Ohr flüstern. Doch inzwischen war er besser geworden. Er entwickelte die Art von emotionalem, sexuellem Radar, den Grace besaß.
    Er stützte sich neben ihr auf den Ellbogen, verzaubert von dem Anblick ihres kastanienbraunen Haars, das auf dem weißen Laken ausgebreitet war, von ihren Augen, die im Sonnenlicht smaragdgrün funkelten, von ihrem langen, anmutigen Hals, ihren makellosen Brüsten, dem Heben und Senken ihres Bauchs.
    Die drei Monate, die sie sich nun schon trafen – ein- oder zweimal die Woche –, hatten sein Verlangen nach ihr nicht gestillt. Nach über hundert Stunden am Telefon dürstete er noch immer nach ihrer Stimme. Dass er sich zu Grace hingezogen fühlte, hatte ihn aus der Isolation gelockt, in der er den Großteil seines Lebens zugebracht hatte, und das Bröckeln der Mauern, die er errichtet hatte, war erregend.
    Er legte seine Hand auf Graces Knie, spürte, wie sich ihr Schenkel an seinen schmiegte. Er ließ die Hand einige Zentimeter an ihrem Bein hinaufgleiten. Ihr Knie schob sich zwischen seine Beine, ihr Schenkel presste sich gegen seinen Unterleib. Er beugte sich über sie und küsste sie zärtlich, stillte den Hunger ihrer Lippen nicht ganz, so wie sie es gern hatte. Als sie den Kopf in den Nacken legte, küsste er ihr Kinn, dann ihren Hals. Ihre Atemzüge gingen schneller, und sie stieß ein Stöhnen aus, halb Schmerz, halb Lust. Er sah, wie sich ihre Schulterblätter anspannten, und umfasste mit den Fingern ihre Brust. Sie ließ den Fuß an seinem Schienbein hinaufgleiten. Er wusste, was das bedeutete. Er ließ die Lippen küssend an ihrem Bauch hinabwandern. Sie spreizte die Knie. Und seine Lippen wanderten noch tiefer hinab.
    Später, als er mit dem Kopf auf ihrem Bauch dalag, der sich im hypnotisierenden Rhythmus ihrer Atemzüge hob und senkte, erinnerte er sich an die Frage, die sie ihm bei ihrem allerersten Treffen in dem Hotel gestellt hatte: Warum beschäftigte er sich so sehr damit, was gesehen werden konnte und was nicht? Weshalb hatte er das Perfektionieren von Radarsystemen und das Ersinnen von Wegen, sie zu umgehen, zu seinem Lebensinhalt erkoren? Bis zu diesem Moment hatte er keine Antwort darauf gewusst. »Es war der leichtere Weg«, sagte er leise.
    »Hmm?«, schnurrte sie.
    »Als wir im Aujourd’hui gegessen haben, beim ersten Mal, als wir uns hier getroffen haben, hast du mich gefragt, warum ich so interessiert daran wäre, ausfindig zu machen, was dort draußen ist – am Himmel, im Weltall.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Ich glaube, ich habe alles getan, um bloß nicht in mich selbst hineinschauen zu müssen.«
    »Warum?«
    »Weil ich nie ganz sicher war, ob es dort etwas zu sehen gab«, gestand er.
    »Natürlich gab es das. Du hast dich selbst nur irgendwie aus den Augen verloren.«
    »Irgendwie.«
    Einen Moment lang schwiegen beide. »Wie?«, fragte sie.
    Er überlegte. »Als Kind habe ich die Leute fasziniert«, sagte er. »Ich war von mir selbst fasziniert. Von dem, was ich mit dem Verstand leisten konnte.«
    »Und was konntest du leisten?«
    »Berechnungen. Problemlösungen. Komplexe wissenschaftliche Gleichungen.«
    »Ein kleines Genie«, sagte sie.
    »So sahen mich die Leute.«
    »Waren deine Eltern stolz auf dich?«
    »Sehr«, bestätigte er.
    »Also war wichtiger, was du alles konntest, nicht, wer du warst.«
    Wie schaffte sie es, immer mitten ins Herz der Dinge zu treffen?, fragte Snow sich. Und wie schaffte sie es, genau den richtigen Tonfall zu treffen, der ihm das beruhigende Gefühl vermittelte, dass er ihr die Wahrheit erzählen könne?
    »Ja«, sagte er.
    »Sie haben dein Gehirn geliebt.«
    »Wenn es funktionierte«, erwiderte er mit einem etwas gezwungenen Lachen. Sein Lächeln erlosch augenblicklich wieder.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher