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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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stimmte nicht mit in sein Lachen ein. »Was wäre gewesen, wenn nicht?«, fragte sie. »Was, wenn es aufgehört hätte zu funktionieren? Hätten sie dich dann trotzdem geliebt?«
    Snow dachte an den ersten Anfall im Alter von zehn Jahren zurück. Er erinnerte sich daran, wie sehr es ihm im Krankenhaus gefallen hatte, daran, dass sein Vater und seine Mutter in dem weiß getünchten Zimmer mehr Zeit mit ihm verbrachten als je zuvor. Und er erkannte, warum. Sie waren dort, weil sein Gehirn krank war, nicht, weil
er
es war. Die Sache, auf die sie stolz waren, hatte einen Kurzschluss erlitten. »Ich weiß es nicht«, erklärte er Grace. »Ich weiß nicht, ob sie mich je geliebt haben.«
    »Es tut mir so Leid«, sagte sie und fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar. »Wenn du das nicht mit Gewissheit weißt, dann ist es schwer, sich je irgendeiner Sache sicher zu sein.«
    »Es ist schon in Ordnung«, wiegelte er ab.
    »Ist es das? Warum musst du immer den Tapferen spielen, John? Du kannst ruhig gelegentlich eine Schwäche zeigen, davon geht die Welt nicht unter.«
    Etwas in seinem Innern drängte Snow, Grace den Rest der Geschichte erzählen – dass sein Gehirn immer wieder ausgefallen war, dass es selbst jetzt, Jahrzehnte später, vier Medikamente brauchte, damit es zuverlässig arbeitete. Doch er war nicht bereit, sich ihr in all seiner Schwäche zu offenbaren. Vielleicht lag es daran, dass er nicht glaubte, dass sie ihn liebte. Vielleicht hatte sie mit allem Recht, was sie gesagt hatte, sogar damit, wie er endlich die Frage beantworten könnte, ob er ihrer oder irgendjemandes Liebe würdig war, seiner eigenen eingeschlossen: indem er sich ein wenig gehen ließ, sie seine Schwächen sehen ließ, sich gestattete, bei ihr einfach nur Mensch zu sein. Aber er konnte es schlichtweg nicht über sich bringen, dieses Risiko einzugehen. Er schloss die Augen, ließ sich vom sanften Auf und Ab von Graces Bauch wiegen, bis der Schmerz verebbte. »Und wie steht es mit dir?«, fragte er. »Bist du geliebt worden?«
    Wieder ein tiefes Seufzen. »Nein«, antwortete sie. »Ich glaube nicht, dass ich je geliebt wurde.«
    »Als Kind?«
    »Du warst ein Genie. Ich war hübsch.«
    »Und das war alles, was sie sahen?«
    »Ich war
sehr
hübsch.« Sie lachte.
    Diesmal war es Snow, der nicht lachen konnte. »Deine Eltern müssen doch erkannt haben, wie intelligent du bist. Du siehst Dinge – verstehst Dinge –, die andere Menschen nicht sehen.«
    »Vielleicht war das das Problem.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe sie gesehen.«
    »Und was hast du gesehen?«, fragte er sie.
    »Du wirst langsam gut in diesem Spiel.«
    Er war gut genug, um Graces Widerstreben zu spüren, mehr zu sagen.
    Sie strich mit der Fingerspitze über seine Stirn, am Rand seines Ohrs entlang, an der Wange hinab. »Erzähl mir von deiner Frau«, forderte sie ihn auf.
    Er stützte sich abermals auf den Ellbogen und sah sie an. »Was hat dich denn jetzt darauf gebracht?«
    »Ich denke eben manchmal über sie nach. Wie ist sie? Wie ist es, mit ihr zusammenzuleben?«
    Er antwortete nicht gleich.
    »Du kannst es mir ruhig erzählen«, versicherte sie.
    Er rutschte im Bett nach oben, legte sich neben sie. Er musste lange und angestrengt nachdenken, bis ihm etwas Bedeutungsvolles einfiel. »Sie ist ein besserer Mensch als ich«, sagte er schließlich.
    »In welcher Hinsicht?«
    »Sie ist in einer Weise für meinen Sohn und meine Tochter da gewesen, wie ich es nie war.«
    »Wie hättest du? Du bist ja nicht einmal für dich selbst da gewesen. Dein Gehirn war zu beschäftigt.«
    »Das ist keine Entschuldigung.«
    »Doch, das ist es«, widersprach sie. Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn auf die Wange. »Machst du noch immer Liebe mit ihr?«
    »Ich glaube nicht, dass ich das je getan habe«, sagte er.
    Diesmal küsste sie ihn auf die Lippen.
    »Wie steht es mit deinem Mann?«, fragte er. »Machst du noch immer Liebe mit ihm?«
    »Ich bin nicht einmal im selben Zimmer. Ich flüchte mich irgendwo anders hin, im Kopf. An einen verlassenen Strand. Eine Straße in den Bergen. Irgendwohin, wo ich allein bin.«
    Snow küsste zärtlich ihre Stirn. »Warum kommst du nicht hierher?«
    Sie schloss die Augen, legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Ich könnte es versuchen«, sagte sie. »Wenn du es auch tust. Ich meine, wenn du mit ihr zusammen bist. Auf die Weise bringen sie uns einander näher.«
    »Das werde ich.«
    »Gut«, sagte sie. »Und jetzt leg dich hin.« Als er es tat, richtete

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