Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
Heller. Er deutete mit einem Nicken auf Clevengers Diät-Cola. »Trinken Sie nicht?«
    Clevenger konnte Hellers Scotch riechen, konnte ihn förmlich schmecken. »Heute nicht.«
    »Gute Entscheidung. Macht es Ihnen was aus, wenn ich trinke?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Heller nahm einen tiefen Schluck von dem Scotch.
    Clevenger trank die Hälfte seiner Cola in einem Zug. »Sie haben Ihre Schlacht im OP gewonnen.«
    »Ein verdammt gutes Gefühl«, sagte Heller. »Weil ich mich an jede einzelne Niederlage erinnere. Ich bin froh, dass Billys erster Besuch nicht dazugehört hat.« Er trank einen weiteren Schluck. »Wie steht’s mit Ihnen? Werden Sie inzwischen besser mit der Sache mit Grace Baxter fertig?«
    »Ich versuche immer noch, es zu verstehen«, gestand Clevenger.
    Heller starrte in sein Glas. »Es gibt in der Medizin nur sehr wenige eindeutige Tatsachen«, sagte er.
    Clevenger gefiel die Richtung, die die Unterhaltung nahm. Es sah aus, als würde sie wieder zurück zu Snow führen. »In der Psychiatrie, meinen Sie«, sagte er.
    Heller blickte auf. »In jedem Fachgebiet. Nehmen Sie die Pathologie. Da haben wir etwas, von dem die breite Öffentlichkeit annimmt, dass die Antwort kristallklar sein müsste. Man nimmt Gewebeproben, legt sie auf Objektträger und betrachtet sie durch ein Mikroskop. Man sollte denken, dass man sagen könnte:
Eindeutig ja
, es ist Krebs, oder
eindeutig nein
, es ist kein Krebs. Aber so läuft es nicht. Man kann von sehr fähigen Pathologen verschiedene Beurteilungen ein und derselben Probe erhalten. Ich musste manchmal schon Gewebeproben an vier verschiedene Labore schicken, bevor ich wirklich überzeugt war, dass ich es mit Krebs zu tun hatte und nicht mit irgendeinem seltsam aussehenden, gutartigen Tumor. Und selbst dabei habe ich noch immer ein Urteil über ein anderes stellen müssen. Mass Generals gegen Hopkins. Hopkins gegen das NIH. Weil Krankenheiten tatsächlich Spektren sind.«
    »Einige«, versuchte Clevenger ihn zu ködern.
    »Alle. Schauen Sie sich nur Diabetes an. Es gibt klare Fälle, aber es gibt auch Grenzfälle und subklinische Fälle. Vielleicht hat der Patient Diabetes, vielleicht auch nicht. Man macht einen Blutzuckertest, und der gibt einem ein zweideutiges Ergebnis, also muss man den Nüchtern-Glukose-Wert und die Höhe des glykierten Hämoglobins bestimmen. Vielleicht sollte der Mann behandelt werden, vielleicht auch nicht. Dasselbe gilt für Bluthochdruck. Es gibt jede Menge offensichtliche Fälle, aber die haben nichts mit der wahren Kunst der Medizin zu tun. Die kommt ins Spiel, wenn jemandes Blutdruck für gewöhnlich normal ist, aber nach einer Tasse Kaffee oder mit zu viel Stress plötzlich stark ansteigt – wenn man entscheiden muss, ob eine Erkrankung vorliegt oder nicht.« Er trank seinen Scotch aus.
    »Bei Epilepsie ist es das Gleiche«, sagte Clevenger und fühlte für einen flüchtigen Augenblick, wie sich seine eigene Kehle wohlig wärmte. Er sah zu Jack und zeigte auf Hellers leeres Glas.
    Heller nickte, sagte aber nichts.
    »Ich meine, es muss Menschen mit abnormaler Hirnstromaktivität geben, die nicht das Niveau einer tatsächlichen Epilepsie erreicht«, fuhr Clevenger fort.
    »Sicher«, bestätigte Heller. »Zwei, drei Prozent der Leute in dieser Bar würden Spitze-Welle-Komplexe zeigen, wenn wir sie an EEGs anschließen würden.«
    Clevenger grinste. »In dieser Bar? Fünf oder zehn Prozent.«
    »Deshalb hatte ich ja gehofft, dass Sie über Ihre Schuldgefühle bezüglich Grace Baxter hinweg wären. Vergessen Sie Diabetes, Bluthochdruck und Epilepsie. Es ist schlicht unmöglich, akkurat vorauszusagen, ob jemand an einer tödlichen Depression leidet. Es gibt noch nicht einmal ein Mikroskop dafür. Oder ein EEG. Nichts.«
    Jack kam mit einem neuen Scotch an den Tisch und stellte ihn vor Heller. Im Umdrehen klopfte er ihm kurz auf die Schulter.
    Heller reagierte nicht.
    »Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen«, sagte Clevenger. »Wie war es bei Snow? Was war mit seinem EEG?«
    »Was soll damit gewesen sein? Er hatte jede erdenkliche Untersuchung. EEGs, MRTs, PETs.«
    »Waren die Ergebnisse eindeutig, oder waren sie Auslegungssache?«
    »Sie waren sehr klar«, erklärte Heller. Er griff nach seinem Glas und trank einen Schluck.
    »Es war also ein klassischer Fall von Epilepsie«, hakte Clevenger nach.
    »Wenn es so etwas wie einen klassischen Fall gibt«, erwiderte Heller. »Er litt an tonisch-klonischen Grand-Mal-Anfällen, begleitet von

Weitere Kostenlose Bücher