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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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abnormaler Hirnstromaktivität in mehreren Bereichen seines Gehirns, einschließlich des Temporallappens und des Hippocampus.«
    Clevenger trank einen Schluck von seiner Cola und räusperte sich. »Und die Pathologie – die abnormalen Hirnstrommuster – hat die Ethikkommission zufrieden gestellt. Sie haben sich nur wegen der Nebenwirkungen der Operation Sorgen gemacht.«
    »Hören Sie, wenn Sie es je mit einer Krankenhauskommission zu tun hatten, dann wissen Sie ebenso gut wie ich, dass jeder erdenkliche Einwand erhoben wird, ob echt oder eingebildet. Unter dem Strich zählte nur eins: Es war Snows Leben. Er hasste diese Anfälle. Er wollte sie loswerden.«
    Das ließ die Frage unbeantwortet, ob ein oder mehrere Mitglieder der Kommission angezweifelt hatten, dass die Epilepsie echt war. Clevenger entschied nachzuhaken. »Was hat das EEG tatsächlich gezeigt? Sie nennen es
abnormale Hirnstromaktivität
. Aber, wie Sie schon sagten, jede Krankheit ist ein Spektrum. Also, wo war Snow auf dem betreffenden Spektrum zu finden? Wenn er nicht solch dramatische tonisch-klonische Muskelzuckungen gehabt hätte, wenn da nicht das auf die Zunge Beißen und das alles gewesen wäre, hätten Sie dann, allein auf dem EEG basierend, Epilepsie diagnostiziert?«
    »Aber er hatte sie nun mal«, entgegnete Heller. Er überlegte kurz. »Was wollen Sie wirklich wissen?«
    »Wenn ich wüsste, dass Snow in Wirklichkeit unter Pseudoanfällen gelitten hat, dann würde ich seine psychologische Verfassung im Generellen in Frage stellen«, sagte Clevenger.
    »Natürlich würden Sie das«, erwiderte Heller. Er lächelte, allerdings mit verkniffenem Gesicht. »Aber das ist es nicht, worauf Sie hinauswollen. Was Sie wirklich wissen wollen, ist, ob ich eine experimentelle Gehirnoperation an John Snow durchgeführt hätte, einzig und allein, um ihn von seinen Beziehungen – seiner Vergangenheit – zu befreien, Epilepsie hin oder her. Um ihm ein neues Leben zu schenken. Stimmt’s?«
    Clevenger hatte nicht speziell diese Frage im Sinn gehabt, aber offensichtlich lag sie Heller auf dem Herzen. »Hätten Sie es getan?«
    »Möglicherweise.«
    »Selbst wenn die Anfälle – Pseudoanfälle – das Ergebnis von Stress gewesen wären?«
    »Denken Sie doch nicht immer so strikt schwarzweiß, Frank. Sie sind Psychiater. Ich weiß nicht, ob es eine Rolle spielt, ob die Krankheit ihren Ursprung in seinem Gehirn oder in seiner Psyche hatte. Ihm wären große Teile von beidem entfernt worden. Kaputte Schaltkreise und belastende Beziehungen. Und damit hätte er, wenn alles nach Wunsch verlaufen wäre, in beiderlei Hinsicht symptomfrei sein sollen.«
    »Und wie steht es mit einem Patienten, der überhaupt keine Anfälle hat?«, fragte Clevenger. »Wie steht es mit jemandem, der einfach findet, dass sein Leben einen Endpunkt erreicht hat und er einen Ausweg braucht, dass er die ›Reset‹-Taste drücken will.«
    »Keine Ahnung. Ein Teil von mir denkt, welches Recht habe ich, diesem Mensch seinen Wunsch zu verweigern?«
    Die Antwort überraschte Clevenger. Er hatte Heller als einen Puristen eingeschätzt, jemanden, für den die bloße Vorstellung, sein Skalpell gegen irgendetwas anderes als krankes Gewebe einzusetzen, ein Affront gewesen wäre. »Würde das nicht bedeuten, Gott zu spielen?«, fragte Clevenger.
    »Immer noch besser, als den Teufel zu spielen«, entgegnete Heller. Er schmunzelte und leerte seinen zweiten Scotch auf ex. »Die Operation heute war toll. Ehrlich. Die Frau kann wieder sehen. Aber John hätte wieder
leben
können. Sie war blind. Er war tot.« Er beugte sich vor. »Jemand hat ihn – und mich – dieser Chance beraubt. Was diese Person getan hat, war ebenso schlimm wie die Taten von John Wilkes Booth oder Sirhan Sirhan. Vielleicht schlimmer. Diese Person hat uns alle der Chance auf Wiedergeburt, auf Wiederauferstehung beraubt. In gewisser Hinsicht hat diese Person Christus selbst getötet.«
    Vielleicht war Heller tatsächlich wahnsinnig, ging es Clevenger durch den Sinn. »Ich schätze also, Sie werden sich alsbald auf die Suche nach einem anderen John Snow machen.«
    Heller schüttelte den Kopf. »So was wie ihn gibt es nur einmal. Er war ein Entdecker. Columbus. John Glenn. Ich glaube nicht, dass es einen anderen Menschen mit seiner psychologischen Stärke und seiner Intelligenz gibt, jemanden, der willens ist, sein Seh- und Sprachvermögen aufs Spiel zu setzen, um von vorn anzufangen. Und sein Gehirn war krank genug, um die

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