Ausgelöscht
doch.«
»Wie lange plagst du dich schon damit herum?«
»Keine Ahnung.«
»Ich störe dich wirklich nur ungern.«
»Etwas sagt mir, dass du es trotzdem tun wirst. Also, was gibt’s?«
»Ich habe hier lauter Floppys mit allen möglichen Dateien darauf. Sie stammen von der Festplatte eines Laptop. Einige von ihnen sehen ziemlich standardmäßig aus, aber da sind einhundertsiebenundfünfzig andere, die mit den Buchstaben VTK anfangen und auf LNX enden.«
»Einhundertsiebenundfünfzig.«
»Ich habe jede einzelne geöffnet. Ich kann nicht herausfinden, ob sie von einem Virus zerstört wurden oder verschlüsselt sind. Für mich ergeben sie jedenfalls keinerlei Sinn.« Er hörte, dass die Tür des Lofts aufgeschlossen wurde, und ging darauf zu.
»Schick sie mir nicht per E-Mail«, sagte O’Connor. »Gott weiß, womit sie infiziert sind.«
Er sagte es in einem Tonfall, als hätte Clevenger nur noch einen Tag zu leben. »Wie wär’s, wenn ich sie vorbeibringe? Ich verspreche, dich nicht anzuatmen.«
»Jederzeit.«
»Morgen früh?«, fragte Clevenger.
»Vor halb neun oder nach Viertel nach neun. Wie ich schon sagte, wir sind an der Reihe …«
»Für den Nachtisch zu sorgen.« Die Tür ging auf. Er hörte Billys und Hellers Stimmen.
»Blaubeeren«, sagte O’Connor. »Es ist ein Montessori-Kindergarten. Die stehen voll auf gesunde Ernährung. Ich persönlich ziehe Hirnnahrung vor. Ich bin heute Abend inzwischen bei meiner dritten Packung Hot Tamales.«
Billy kam in einem OP-Kittel und Jeans herein, gefolgt von Heller, der einen OP-Kittel unter seinem schwarzen, drei Viertel langen Schurwollmantel anhatte. Er trug auch wieder seine schwarzen Krokodilleder-Cowboystiefel.
»Ich seh dich dann so gegen acht«, erklärte Clevenger O’Connor.
»Groß, mit Sahne, vier Stück Zucker.«
»Geht klar.« Er legte auf. »Also, wie war’s?«, fragte er Billy.
Billy grinste und sah zu Heller. Heller erwiderte sein Lächeln. »Irre«, sagte Billy. »Absolut, total irre.«
»Bleiben Sie doch noch kurz«, forderte Clevenger Heller auf.
»Steht unsere Verabredung für einen Drink noch?«, fragte Heller. »Ich glaube, Billy ist ziemlich müde.«
»Total erledigt«, pflichtete Billy bei. Er hielt ein Buch hoch. »Bettlektüre.«
Clevenger las den Titel.
Gehirn und Rückenmark: Aufbau und Funktion
, von Abraham Kader. Er konnte nicht ganz glauben, dass Billy das Buch in derselben Hand hielt, die gemeinhin für Marlboros und Eminem-CDs reserviert war. »Das ist ein Klassiker«, bemerkte er.
»Kader ist ein Freund von mir«, erklärte Heller.
Aber natürlich doch, dachte Clevenger bissig.
»Es hat ’ne Widmung«, verkündete Billy. »
Von einem Heiler an den anderen
.«
»Genau deshalb habe ich es Billy gegeben«, sagte Heller. »Könnte sich von neuem bewahrheiten.«
»Du hättest dabei sein sollen«, begeisterte sich Billy. »Wir haben zugemacht, und, echt, eine halbe Stunde später schlägt sie im Aufwachraum die Augen auf und …« Er schaute abermals zu Heller, der ihm mit einem Nicken gestattete, die Pointe zu präsentieren. »Sie konnte sehen«, sagte Billy ehrfürchtig.
»Das ist ja unglaublich«, sagte Clevenger.
»Wie ich Billy schon sagte, wir hatten nichts damit zu tun«, wiegelte Heller ab. »Gott hat dieser Frau ihr Sehvermögen zurückgegeben.« Er hielt die Hände hoch. »Er gab mir die hier.« Er ließ die Hände wieder sinken. »Und wenn Billy Neurochirurg werden sollte, dann nur, weil er es immer schon in sich hatte und es nur darauf wartete, dass er dieser Tatsache die Ehrfurcht zuteil werden ließ, die sie verdient.«
Clevenger stimmte dem Inhalt von Hellers Monolog grundsätzlich zu, doch seine Theatralik machte deutlich, dass er noch immer die manische Welle ritt, die ihn in den OP getragen hatte. »Was immer deine Gabe ist, du musst ihr Respekt zollen«, erklärte Clevenger Billy, doch er konnte hören, wie seine Worte vom Nachhall von Hellers Rede übertönt wurden.
»Stimmt genau«, sagte Heller.
»Ich hab beim Zumachen geholfen«, berichtete Billy.
»Fantastisch«, lobte Clevenger.
»Niemand mit einer Leidenschaft für die Chirurgie kann einfach nur zuschauen«, sagte Heller. »Billy hat vier volle Stunden lang Wundhaken gehalten. Ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben. Er hatte sich das Recht verdient, die letzten paar Stiche zu machen.«
»Irgendwie glaube ich nicht, dass dies das letzte Mal war, dass er im OP dabei sein möchte«, bemerkte Clevenger.
»Kein Problem«,
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