Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
sich erst auf ein Bein, dann auf das andere. Er strich mit dem Ballen seines rechten Fußes an seiner linken Wade hinauf, ohne zu wanken. »Alles noch im grünen Bereich. Ich gebe nur ungern zu, wie viele Drei-Scotch-Abende ich in den letzten sechs Monaten hatte. Ich habe praktisch nur für Johns Fall gelebt.«
    Heller klang verdächtig wie ein Alkoholiker. »Der Fall ist vorbei«, erklärte Clevenger und stand auf.
    »Nein«, widersprach Heller. »Sie müssen noch den finden, der Snow auf dem Gewissen hat. Dann ist es vorbei.«
    Clevenger kehrte ein paar Minuten nach Mitternacht in sein Loft zurück. Unter Billys Tür drang kein Lichtschein hervor. Anscheinend war er über
Gehirn und Rückenmark: Aufbau und Funktion
eingeschlafen.
    Clevenger ging an den Computer, sah, dass der Bildschirm noch immer leuchtete und mit dem Code oder dem sinnlosen Zeichensalat der letzten VTK-Datei, die er sich angesehen hatte, bedeckt war. Das war komisch; der Computer war so eingestellt, dass sich nach fünf Minuten automatisch der Bildschirmschoner einschaltete. Clevenger streckte die Hand aus und befühlte das Sitzpolster des Schreibtischsessels. Warm.
    Er war wütend und enttäuscht. Billy hatte seine Dateien durchgesehen. Er sah abermals zu Billys Tür. Vielleicht war es an der Zeit für eine kleine Unterhaltung darüber, dass man Privatsphäre des jeweils anderen zu respektieren hatte. Vielleicht würde Stubenarrest Billy eine Lehre sein. Doch unvermittelt drängte ein neues Gefühl alle anderen in den Hintergrund. Clevenger fühlte sich wie ein Sieger – er hatte über Jet Heller, über Abraham Kader, ja über die Neurochirurgie selbst triumphiert. Denn während Heller und er im Alpine gesessen hatten, hatte Billy sich offenkundig nicht in die Geheimnisse des Nervensystems eingelesen. Er hatte am Computer gesessen und versucht, Clevenger und seiner Arbeit näher zu kommen. Und obgleich Clevenger Angst hatte, Billy an die Düsternis von Mordfällen zu verlieren, konnte er doch nicht leugnen, dass die Neugier seines Sohnes ihm das Herz wärmte.
    Und so klopfte er nicht an Billys Tür oder brüllte, er solle herauskommen, sondern setzte sich in seinen Schreibtischsessel und schloss die Augen, in dem Wissen, dass Billy noch vor wenigen Augenblicken auf eben diesem Platz gesessen hatte.
    Begegnungen
    Ein Sommertag, fünf Monate zuvor
    18 Uhr
    Grace Baxter klopfte an der Tür der Suite, unsicher, ob er dort sein würde. Sie hatten dieses Treffen eine Woche zuvor verabredet, aber sie hatte seitdem nichts von ihm gehört, obgleich sie ihn ein Dutzend Mal angerufen hatte. Sie klopfte abermals, wartete einen Moment, dann wandte sie sich zum Gehen um.
    Er öffnete die Tür.
    Sie drehte sich wieder zu ihm um und war entsetzt von dem, was sie sah. Er war unrasiert, die Augen waren blutunterlaufen und hatten dunkle Ringe. Sein weißes Hemd war zerknittert und schweißfleckig. Grace Baxter trat ein und schloss die Tür hinter sich. »John, was ist los?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf und sah zu Boden. »Es tut mir Leid.« Er hob den Blick und sah sie an. Sie war atemberaubend in ihrem eng anliegenden schwarzen Etuikleid und den hochhackigen schwarzen Sandaletten. »Ich war nicht …« Er rieb sich die Augen.
    Sie nahm seine Hand und führte ihn zu einem mit elegantem Samt bezogenen Zweisitzersofa.
    »Ich wollte nicht, dass du mich so siehst«, sagte er.
    »Wir hatten abgemacht, nie etwas voreinander zu verbergen.«
    Er sah durch sie hindurch. »Die Dinge laufen nicht gut.«
    »Welche Dinge.«
    Er schüttelte den Kopf. »Einfach nur …«
    »Welche Dinge? Bitte, John, sprich mit mir.«
    »Mein Verstand«, sagte er und schien sie dabei kaum wahrzunehmen. »Meine Arbeit. Ich stecke in einer Sackgasse.«
    Sie beugte sich zu ihm. »Du hast gesagt, es würde helfen, wenn wir einander öfter sähen. Ich treffe mich jeden Tag mit dir, wenn du möchtest.«
    Er kniff die Augen zusammen.
    Sie führte seine Hand zur Innenseite ihres Oberschenkels, bis seine Finger die Spitze ihres Tangas berührten. »Es ist dir wieder etwas im Weg. Das ist alles. Du hast eine Blockade. Die können wir überwinden.«
    Er konnte fühlen, wie warm, wie nass sie war. Und ein Teil von ihm wollte in ihr sein, wollte die Energie anzapfen, die ihm in den letzten sechs Monaten geholfen hatte, so viele kreative Hürden zu überwinden und Vortek Schritt um Schritt der Vollendung näher zu bringen. Doch ihr letztes Zusammensein hatte ihn nicht stärker gemacht, nicht

Weitere Kostenlose Bücher