Ausgelöscht
Schuldunfähigkeitsgutachten. Er möchte Ihnen die Akte rüberschicken.«
»Sagen Sie ihm, er soll sie schicken. Aber es wird eine Weile dauern, bevor ich mich dransetzen kann.«
»Ich sag es ihm.«
Nachdem Clevenger aufgelegt hatte, hörte er die Voicemail auf seinem Handy ab. Es gab eine Nachricht, dass er Mike Coady zurückrufen solle, doch nichts von Heller. Clevenger würde Billys Besuchen im Mass General eindeutig Grenzen setzen müssen.
Er wählte Coadys Nummer und wurde zu ihm durchgestellt. »Was gibt’s?«, fragte er.
»Ich habe George Reese etwas früher als abgesprochen aufs Präsidium geholt.«
Clevenger sah auf die Uhr. 13 Uhr 20. »Warum?«
»Er war auf dem Weg zum Logan-Flughafen. Ich habe ihn zum internationalen Terminal verfolgen lassen. Er hatte einen Flug nach Madrid gebucht.«
»Ein kleiner Urlaub, um über den Verlust von Grace hinwegzukommen?«
»Das Ticket war nur für den Hinflug.«
»Vielleicht legt er sich nicht gerne fest.«
»Nun, jetzt sitzt er jedenfalls erst einmal hier fest. Zumindest für den Moment. Jack LeGrand ist bei ihm in der Zelle.«
LeGrand war Neuenglands König des Strafrechts, ein Verteidiger, der jeden Prozess wie ein Gladiator ausfocht und bedeutend mehr Fälle gewann als verlor. Clevenger hatte vor ein paar Jahren bei einigen Fällen mit ihm zusammengearbeitet. »Richten Sie Jack einen Gruß von mir aus.«
»Ich würde Sie gern so schnell wie möglich hier haben. Ich weiß nicht, wie lange ich Reese hier festhalten kann, ohne Anklage zu erheben. Und so weit bin ich noch nicht.«
»Ich bin in einer knappen Stunde da«, versprach Clevenger.
»Bis dann.«
Clevenger nahm die Back-Bay-Ausfahrt vom Storrow Drive und fuhr zum Mass General. Er wollte sich vergewissern, dass Billy die Wahrheit darüber erzählte, warum er die Schule schwänzte.
Clevenger stellte den Wagen im Parkhaus ab und ging zur OP-Abteilung. Die Abteilungssekretärin, eine dicke, rotbackige Frau um die sechzig, erklärte ihm, dass Heller derzeit operiere, und bestätigte, dass ein junger Mann ihn in den OP begleitet habe.
»Ich bin sein Vater«, sagte Clevenger. »Wissen Sie, was das für eine Operation ist?«
»Ein Aneurysma an der Basilararterie«, antwortete sie. »Sie sind jetzt seit drei Stunden dort drin. Sie haben noch gut fünf Stunden vor sich.«
Die Basilararterie verläuft entlang der Hirnbasis. Sie gehört zum Circulus arteriosus willisii, dem Gefäßring, der die Großhirnrinde mit Blut versorgt. Das Abclippen eines Aneurysmas ist extrem riskant.
»Die Patientin ist ein neunjähriges Mädchen«, sagte die Sekretärin.
Clevenger schnürte sich das Herz zusammen. »Neun Jahre.« Die Tragödie eines kleinen Mädchens, das eine mehr als achtstündige Operation über sich ergehen lassen musste, zeigte wieder einmal, wie vollkommen unparteiisch und gänzlich unfair Krankheiten waren. Er machte sich Sorgen, wie Billy reagieren würde, wenn sie die Operation nicht gut überstand.
»Sie ist in den besten Händen«, versicherte die Sekretärin. »Dr. Heller tut alles Menschenmögliche für seine Patienten. Für ihn ist es immer eine persönliche Angelegenheit. Er nimmt sich jeden Fall zu Herzen, verstehen Sie?«
»Das höre ich nicht das erste Mal über ihn«, sagte Clevenger. Es war schwer, bloß an Hellers chirurgische Fähigkeiten zu denken, wenn seine Umgangsformen so zweifelhaft waren. Er hatte nicht den Anstand besessen, Clevenger Bescheid zu sagen, dass er Billy abermals zu einer Operation eingeladen hatte.
Clevenger überlegte, Billy aus dem OP rufen zu lassen und umgehend mit nach Hause zu nehmen, um ihm klarzumachen, dass er nicht auf eigene Faust beschließen konnte, die Schule sausen zu lassen, um Doktor zu spielen. Aber er wollte ihn nicht vor Heller in Verlegenheit bringen. »Könnten Sie ihm wohl ausrichten, dass ich vorbeigekommen bin, um mich zu vergewissern, dass bei ihm alles in Ordnung ist?«, fragte Clevenger.
»Sie können gerne warten, wenn Sie möchten. Er wird sicher bald eine Pause machen.«
»Darauf würde ich nicht wetten«, erwiderte Clevenger.
15
Clevenger schaffte es, kurz vor 14 Uhr wieder im Präsidium zu sein. Coady wollte ihn in seinem Büro sprechen, bevor sie sich George Reese vornahmen.
»Jeremiah Wolfe hat angerufen«, sagte Coady. »Das Ergebnis der DNS-Untersuchung des Babys, mit dem Grace Baxter schwanger war, ist da.« Er setzte sich hinter den Schreibtisch. »Es war von John Snow. Ein kleiner Junge.«
Diese Enthüllung führte
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