Ausgeloescht
mehr Nachdruck zu verleihen. »Wenn ihr auffliegt, können die Konsequenzen nicht nur eure eigene Sicherheit betreffen. Wir gehen von der Voraussetzung aus, dass der Täter seine Drohung ernst meint und andere Gefangene hat. Wenn er glaubt, dass wir ihm zu dicht auf den Pelz rücken, könnte er beschließen, sie zu töten. Habt ihr verstanden?«
»Habe ich«, sagt Leo.
»Ja«, antwortet Marjorie.
»Gut. Dann lasst uns Marjorie auf den aktuellen Stand der Dinge bringen, und dann basteln wir eure Legenden fertig.«
Kapitel 24
Ich bin im Gefängnis und beobachte Douglas Hollister, als er vor mir Platz nimmt. Der Rest meines Teams ist mit seinen jeweiligen Aufgaben beschäftigt. Ich selbst möchte mich mit Hollister befassen, um mein Bild von dem Unbekannten auszuweiten, der hinter alledem steckt.
Noch immer wissen wir bemerkenswert wenig über unseren Täter. Auch wenn es in dieser Hinsicht einige Anomalien gibt, hat Dali es ausgezeichnet verstanden, unsichtbar zu bleiben. Er hat sämtliche Kontakte auf das Nötigste beschränkt und die Kommunikation niemals aus der Hand gegeben. Die meisten unserer wertvollsten Zeuginnen hat er lobotomiert und geistig verkrüppelt, und Heather steht noch zu sehr unter Schock, als dass sie eine große Hilfe wäre. Also ist Douglas Hollister die greifbarste Verbindung zu Dali, die wir haben.
Ich nehme mir Zeit, um Hollister zu mustern, ehe ich spreche. Er ist ein gebrochener Mann. Ich merke es allein schon an seiner Körpersprache und seinem Schweigen. Er starrt auf seine Hände und ist meinem Blick nur einmal begegnet, als er in den Verhörraum kam. Er ist über Nacht gealtert: Seine Haut ist fahl, sein Gesicht schlaff vor Erschöpfung und Niedergeschlagenheit.
»Wieso sind Sie hier?«, fragt er teilnahmslos.
»Aus zwei Gründen. Ich möchte mich noch einmal über den Mann unterhalten, mit dem Sie zu tun hatten. Und ich wollte sehen, wie Sie sich an das Gefängnisleben anpassen.«
Endlich hebt er den Kopf. »Wie ich mich anpasse? Soll das ein Witz sein?« »Ganz und gar nicht.«
Er schnaubt. »Ich sitze in einem Gebäude voller Vergewaltiger, Mörder und Straßenräuber. Fast alle sind größer und stärker als ich und gewalttätig. Was glauben Sie wohl, wie es mir da geht?«
»Wurden Sie bedroht?«
»Nicht offen. Aber das wird noch kommen. Das spüre ich.« »Sie können um Schutzhaft ersuchen.«
»Na klar«, sagt er verächtlich. »Davon hat mir schon jemand erzählt. Man wird in ein anderes Gebäude mit anderen Vergewaltigern, Mördern und Straßenräubern gesperrt, nur dass man jetzt für immer eine Zielscheibe auf dem Rücken trägt, weil jeder glaubt, man wäre ein Spitzel. Nein danke.«
»Ich rate Ihnen dringend, sich für die Schutzhaft zu entscheiden, Douglas.«
Er seufzt und reibt sich rasch mit beiden Händen das Gesicht, als versuchte er, einen Kater zu vertreiben oder einen Albtraum. Seine Haut ist bereits rot vom Reiben. »Leben oder Sterben, darüber mache ich mir im Augenblick keine großen Gedanken. Wozu auch? Einen meiner Söhne habe ich getötet, und der andere wird es am Ende erfahren und hat sein Leben lang daran zu tragen. Und Dana ... sie vegetiert nur noch vor sich hin. Heather gewinnt am Ende doch. Sterben? Ist mir scheißegal.«
Heather gewinnt?
Ich kämpfe meine instinktive Wut nieder. Ganz gleich, wie viele Jahre ich schon mit Soziopathen zugebracht habe, mit ihrem boshaften Narzissmus, sie können mich immer noch überraschen. Ihr Denken ist auf eine Art und Weise verdreht, die ich einfach nicht begreifen kann.
»Das ändert sich«, entgegne ich. »Im Moment kommt es Ihnen noch so vor, aber das geht vorbei.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Weil ich dich kenne. Weil du selbst dir wichtiger bist als jeder andere Mensch auf Erden. Weil du pathologisch bist. Du könntest genauso wenig anders sein, wie du mit dem Atmen aufhören kannst.
»Weil ich mit dem Phänomen des Schocks vertraut bin«, sage ich stattdessen. »Ich habe schon mit Männern und Frauen zu tun gehabt, die in einer ähnlichen Lage gewesen sind. Selbstmord oder Todessehnsucht ist im ersten Stadium sehr verbreitet. Doch der Überlebensdrang gewinnt am Ende die Oberhand.«
»Wirklich?«
Sein selbstmitleidiger Tonfall weckt in mir den Wunsch, ihm hässliche Bemerkungen an den Kopf zu werfen und ihn in seiner Schwäche zu verletzen.
Du armer Kleiner,
möchte ich zu ihm sagen.
Ist das Leben so unfair zu unserem armen kleinen Baby?
»Lassen Sie sich nicht hängen. Und
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