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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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die Schultern. Sein Dauerlächeln erlosch, und seine Hände verkrampften sich. Doch es dauerte nur ein paar Sekunden, dann nahm er seine entspannte Haltung wieder ein, und das Lächeln kehrte zurück. Nur mit dem Unterschied, dass es jetzt aufgesetzt wirkte.
    »Auf Wiedersehen, Mr. Keats«, sagte ich.
    Er sagte nichts mehr.
     
    Und nun stehe ich hier im Krankenhaus und betrachte die fremde Frau auf der Liege. Ich kenne sie nicht, aber ich kenne den Mann, der sie gehabt hat. Mit dieser Sorte habe ich ständig zu tun. Ich kenne seine Augen, ohne je sein Gesicht gesehen zu haben.
    Und das bedrückt mich.
    Es bedrückt mich, dass ich eine genauere Vorstellung vom Täter habe, der weiß Gott wo ist, als vom Opfer, das vor mir liegt.
     
    »Das ist ja eine schöne Bescherung!«, schimpft Callie.
    Sam steht ein paar Meter von uns entfernt und telefoniert.
    »Bucht ihr um?«, frage ich mit einer Kopfbewegung in Sams Richtung.
    Callie macht ein trauriges Gesicht. »Die Arbeit ruft, Süße. Und Gott allein weiß, wohin sie Sam führt.«
    Sam klappt sein Handy zu und kommt zu uns. Er sieht bedrückt aus.
    »Das war Hickman«, sagt er zu Callie. »Ich werde gebraucht.«
    »Ich dachte, Hickman hat alles im Griff«, protestiert Callie. »Stell dir vor, wir wären schon auf Bora Bora.«
    »Sind wir aber nicht, mein Schatz.« Sam nimmt ihre Hände und zieht sie an seine Lippen. »Es ist ein Geiselfall, Calpurnia. Der wird mich nicht lange aufhalten.«
    Callie sucht seinen Blick. »Und wenn doch? Wenn sich herausstellt, dass wir ganz auf die Flitterwochen verzichten müssen?«
    Er zuckt die Schultern. »Du hast gewusst, welchen Beruf du mitheiratest, genau wie ich.«
    Callie seufzt tief. »Na schön. Aber wehe, du lässt dich erschießen. Und bevor du abreist, erwarte ich im Bett einen flitterwochenmäßigen Auftritt von dir.«
    Sam grinst. »Ich werde mir Mühe geben.«
    »Das rate ich dir auch. Sonst lasse ich mich nämlich gleich wieder scheiden.« Er küsst sie. »Bis später, Calpurnia.« Und weg ist er.
    Callie fächelt sich das Gesicht, als brauchte sie Abkühlung. »Meine Güte. Dieser Mann weiß, wie er mich zum Glühen bringt. Und jetzt lässt er mich im Regen stehen.«
    »Halt die Pferde im Zaum,
Calpurnia«,
sage ich lächelnd.
    James schnaubt gereizt, und ich drehe mich zu ihm um. »Du möchtest etwas dazu sagen?«
    »Ja. Warum sind wir hier? Was immer mit dieser Frau passiert sein mag, ist nicht unsere Angelegenheit. Es ist nicht unser Job, irgendwelche Fälle aufzugreifen.« »Es ist nicht irgendein Fall«, widerspreche ich. James runzelt die Stirn. »Wie meinst du das?«
    Ich ziehe den Zettel aus der Tasche, zeige ihn herum und erzähle von der SMS.
    »Die Frau wurde einer Hochzeitsgesellschaft, zu der FBI-Leute und andere Gesetzesvertreter gehörten, gewissermaßen vor die Füße geworfen. Hältst du das für einen Zufall? Das ist eine Botschaft.«
    James zuckt die Achseln. »Und wenn schon. Wir springen auch sonst nicht auf jeden Drohbrief an, der uns geschickt wird.«
    »Es ist nicht nur eine Drohung gegen uns«, erwidere ich gereizt, »es ist eine offensichtliche Entführung. Und damit fällt die Sache in unsere Zuständigkeit. Basta.«
    Der Arzt kommt zu uns. Er wirkt müde und erschöpft. Nun runzelt er verwundert die Stirn, als er uns sieht. Offenbar bemerkt er erst jetzt unser Erscheinungsbild.
    »Sie kommen von einer Hochzeit?«, fragt er.
    »Allerdings«, sagt Callie. »Gott sei Dank konnten wir beide vorher noch Ja sagen. Wie geht es der Patientin?«
    Der Arzt wischt sich über sein müdes Gesicht. »Sie ist in schlechter Verfassung. Sie ist untergewichtig und leidet an starker Austrocknung, was wahrscheinlich der Grund für ihr Delirium ist. Die Hand- und Fußgelenke sind vernarbt. Ich bin kein Experte, aber ich vermute, dass die Frau lange Zeit gefesselt war.«
    »Wie lange?«, frage ich. »Können Sie das anhand der Narben schätzen?«
    »Schwierig. Solche Heilungsprozesse verlaufen individuell sehr unterschiedlich. In der Regel dauert es zwischen sieben und zwölf Monaten, bis eine Narbe verblasst. Gemessen an der Farbe und Dicke der Narben dieser Patientin könnte es sich um eine Gefangenschaft über Monate, vielleicht Jahre hinweg gehandelt haben.«
    Das hatte ich bereits vermutet, aber seltsamerweise ist es schrecklicher, wenn man es von jemand anderem hört.
    »Was können Sie uns noch sagen?«
    »An mehreren Körperstellen, vor allem am Rücken, gibt es Anzeichen dafür, dass sie ausgepeitscht

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