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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Strand steht. Die Sonne scheint, und die Frau lacht. Sie ist Anfang zwanzig, auf natürliche Art schön und offenbar sehr glücklich.
    In jeder scharfen Amerikanerin steckt eine Harpyie, die irgendwann zum Vorschein kommt, heißt es im ersten Satz unter dem Foto. Sally und ich waren fünfzehn Jahre lang zusammen, zehn davon verheiratet. Anfangs hatten wir eine schöne Zeit miteinander. Ich würde sogar sagen, es war perfekt. Wir sind durch die Welt gereist, mit dem Rucksack durch Europa, haben in Amsterdam Hasch geraucht. Sally war zu jedem Abenteuer bereit, und unser Sex war göttlich. Mit zwanzig sah sie absolut scharf aus und war supergeil. Dann machten wir den Collegeabschluss, haben geheiratet und richteten uns häuslich ein. Sie fing an, feministische Sitcoms zu gucken, in denen die Männer herabgewürdigt werden und die »Frauenpower«, wie diese Schlampen es nennen, gestärkt wird (dieser ganze Quatsch von wegen »du hast dir genug gefallen lassen, Schwester!«). Sally hat sich peu ä peu verändert. Zum Schluss hat sie mich wie einen Feind behandelt. Inzwischen streiten wir uns nur noch und haben seit Jahren nicht miteinander geschlafen. Sie beschuldigt mich andauernd, ich würde sie betrügen, obwohl das gar nicht stimmt. Wenn ich mich verteidigen will, greift sie mich an und sagt, ich hätte nur Scheiße im Kopf und alle Männer seien Drecksäcke, die ihre Frauen betrügen usw. Manchmal weint sie ohne Grund und hört tagelang nicht auf. An anderen Tagen wird sie so wütend, dass es mir Angst macht. Einmal hat sie sogar zum Messer gegriffen, als wir uns gestritten haben. Ich habe versucht, ein guter Kerl zu sein. Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber wenn ich frage, was eigentlich los ist, sagt sie nur, dass ich ein Scheißkerl bin und nie verstehen werde, was in ihr vorgeht. Ich habe die Schnauze voll und werde die Scheidung einreichen.
    »Eine traurige Geschichte«, sagt Callie. »Schade, dass er keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen hat.«
    Starke Persönlichkeitsveränderungen haben immer tief sitzende Ursachen. Die Frau, von der hier erzählt wird, könnte manisch-depressiv sein, und die Krankheit offenbart sich gerade erst, oder sie hatte ein traumatisches Erlebnis, das sie dem Mann verschwiegen hat, beispielsweise eine Vergewaltigung oder eine Fehlgeburt oder einen großen persönlichen Verlust. Oder ihr ist etwas längst Vergessenes wieder eingefallen, und diese Erinnerung quält sie nun.
    Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass der Schreiber etwas Entscheidendes auslässt und selbst die Ursache ihres Traumas ist. Doch wenn sein Bericht den Tatsachen entspricht, handelt es sich um eine Frau, die in einer tiefen persönlichen Krise steckt. Das alles hat nichts mit dem Wunsch zu tun, die Männer zu vernichten. Callie hat recht: Es ist eine tragische Sache.
    »Aber das ist eine von den netteren Geschichten«, sagt Leo. »Die meisten sind wie die vorherigen: Schlampe hier, Schlampe da, sie wurde fett, sie schläft nicht mehr mit ihm und so weiter. Unter >Schlampen-Storys< bekommt man längere Versionen zu lesen.«
    »Wir können uns ungefähr denken, was da steht«, sage ich. »Schauen wir lieber mal ins Forum.«
    Leo navigiert auf die Indexseite, auf der drei verschiedene Foren angeboten werden: »Allgemeine Diskussion«, »Von Mann zu Mann«, »Schlampen-Talk«.
    »Was bei >Schlampen-Talk< los ist, können wir erahnen«, sage ich. »öffne mal >Von Mann zu Mann<.«
    Leo klickt, und das Forum öffnet sich. Eine Liste von Themen erscheint. Eines lautet: »Für das Recht, ein Mann zu sein.«
    »Das da«, sage ich.
    Die Seite wird geladen.
    Heutzutage werden die Männer an den Rand gedrängt, ohne es zu merken. Sie haben die Vorstellung übernommen, Schläger und Vergewaltiger zu sein. Und was noch schlimmer ist: Viele Männer glauben, diese Eigenschaften seien unvermeidlich und könnten nur von einer Frau aufgehoben werden. Sie glauben, dass nicht sie selbst den Schlüssel zu ihrem Innern besitzen, sondern ihre Frau oder Freundin, sodass sie deshalb auf sie hören müssen.
    Dass Männer in der Vergangenheit brutal gewesen sind, lässt sich nicht bestreiten. Dass Frauen schändlich behandelt und unterdrückt wurden, ist ebenso unbestreitbar. Inzwischen aber sind wir über einen Dialog über irrtümliches Verhalten hinaus. Die Diskussion ist stattdessen zu einer allgemein akzeptierten Anklage aller Männer verkommen. John Bobbitt wird als Bild hochgehalten, nicht Leonardo da Vinci. Ted

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