Ausgeloescht
ich geheiratet hatten, habe ich das Klo geputzt, aber nicht, weil es meine Aufgabe war, sondern weil Matt mich darum gebeten hatte. Toiletten schrubben ekelte ihn zu sehr. Ich dagegen hatte kein Problem damit. Es war eine Lösung aus Liebe, kein Mann-Frau-Problem.
Aber auch ich war nicht immun dagegen. Als ich beim FBI anfing, war ich eine Kindfrau und zu klein geraten. Das machte mich für manche Leute zur Zielscheibe. Den denkwürdigsten Zusammenstoß hatte ich mit einem alten Hasen namens Frank Robinson. Er war über fünfzig und schon beim FBI gewesen, als er so alt gewesen war wie ich. Ich assistierte bei einem Fall in administrativer Funktion, und Robinson war stellvertretender Ermittlungsleiter.
Einmal, nach einer Besprechung, war ich mit ihm allein im Konferenzraum. Ich sammelte Unterlagen ein und steckte sie in Aktenmappen. Robinson saß auf einem Stuhl und kaute auf seiner Füllerkappe, wobei er mich begaffte.
Ich versuchte, seine Blicke zu ignorieren, doch er starrte mich weiter an; deshalb fragte ich: »Benötigen Sie etwas, Sir?«
Er lächelte, und ich sah den Anflug von Gemeinheit, den Beginn eines höhnischen Grinsens.
»Mir ist gerade wieder eingefallen, warum ich immer schon gegen junge weibliche Kollegen beim FBI gewesen bin.«
»Und warum?«
Er stand auf, kippte seinen letzten Schluck Kaffee aus dem Styroporbecher herunter und ließ seinem höhnischen Grinsen freien Lauf. »Wegen der Ablenkung. Man stellt sich immerzu die Frage: Seide oder Spitze? Rasiert oder unrasiert? Große oder kleine Perle?« Er leckte sich über die Lippen, und den nächsten Satz schnurrte er förmlich. »Und die wichtigste Frage von allen: Lutscht sie oder nicht?«
Ich weiß noch, wie geschockt ich im ersten Moment war. Wie verletzt. Er hatte mich nicht angerührt und mich trotzdem betatscht. Ich spürte seine Hände überall, obwohl er sie gar nicht bewegte. Ich wurde rot und hasste mein Gesicht für diesen Verrat, und bei alledem sah ich seine Augen, wie sie meine Reaktionen förmlich aufsaugten.
Was ich bis dahin erlebt hatte, war im Grunde harmlos gewesen. Weniger sexuelle Belästigung als Schikane, um zu testen, aus welchem Holz ich geschnitzt war. Ich habe immer entsprechend zurückgeschlagen, habe nur so viel ausgeteilt, wie ich eingesteckt habe, mehr nicht. Diesmal war es anders. Es war ein direkter Übergriff, der auf ungleichen Kräfteverhältnissen beruhte und ungeniert auf sexuelle Demütigung zielte.
Ich war damals jung und noch ohne Narben. Ich hatte noch niemanden getötet, und an die Nähe zu den Ungeheuern, auf die ich später Jagd machen würde, war noch nicht zu denken. Meine Gabe, andere zu durchschauen, war noch ein Saatkorn, das aber schon die Keimblätter ans Licht schob. Es trieb tiefe Wurzeln in mein dunkles Inneres, und an diesem Tag meldete es sich zu Wort.
Robinson hat beim FBI gute Arbeit geleistet,
flüsterte es mir zu. Er war viele Jahre im Dezernat Wirtschaftskriminalität gewesen und hatte große Erfolge erzielt, hatte sich aber intensiv bemüht, zur BAU versetzt zu werden, der FBI-Abteilung für Verhaltensanalyse. Dort tat er sich dann weniger hervor. Seine Leistungen waren ausreichend, aber nicht herausragend.
Die Leistung eines Mannes, der nicht ganz bei der Sache ist.
Das Flüstern ging wie ein Streicheln durch meinen Kopf, und in diesem Moment wusste ich, was Frank Robinson für einer war. Sein Verhalten hatte ein Bedürfnis offengelegt. Die Gabe in mir erkannte das; sie wuchs daran und lieferte mir den Mann aus.
»Jetzt weiß ich, warum Sie unbedingt zur BAU wollten«, sagte ich zu ihm,»und warum Sie seitdem bloß die zweite Geige spielen.«
Er machte schmale Augen. Ich trat so nahe an ihn heran, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Ich war völlig furchtlos.
»Ach ja?«, fragte er. »Und warum?«
Ich weiß noch, wie ich ihn anlächelte. Ich wusste, es war ein grausames Lächeln, unerschrocken und voller Befriedigung, die sich aus Gewissheit speiste.
»Sie sind ein Voyeur, Frank. Sie geilen sich auf an dem, was Sie sehen. Und dann gehen Sie abends nach Hause und holen sich einen runter, wobei Sie sich vor Augen rufen, was Sie gesehen haben oder sich gewünscht haben zu sehen.« Ich beugte mich noch näher an ihn heran und hätte mich nicht bremsen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. »Haben Sie auch schon mal eine Akte mit nach Hause genommen, Frank? Abzüge von Fotos vielleicht? Ich wette darauf. Ich wette, Sie
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