Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgerechnet den?

Ausgerechnet den?

Titel: Ausgerechnet den? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
Vom Netzwerk:
etwas. Letztes Jahr war Phoebe in der Upper West Side am helllichten Tag ausgeraubt worden, und Pooh hatte sich die ganze Zeit über um die Beine des Straßenräubers geschlängelt, weil sie gestreichelt werden wollte.
    Phoebe rieb ihr Haar an dem weichen Köpfchen der Hündin. »Tief drinnen bist du doch nichts weiter als eine Promenadenmischung, stimmt’s nicht, Pooh?«
    Ganz plötzlich konnte Phoebe nicht länger und stieß ein ersticktes Schluchzen aus. Eine Promenadenmischung. Genau das war sie auch. Aufgemotzt wie ein schicker französischer Pudel.
    So fand Viktor sie. Mit mehr Taktgefühl, als er gewöhnlich an den Tag legte, übersah er die Tatsache, dass sie weinte. »Phoebe, Süßes«, sagte er liebevoll, »der Anwalt deines Vaters ist da, um mit dir zu sprechen.«
    »Ich will keinen sehen«, schnüffelte sie und tastete vergebens nach einem Taschentuch.
    Viktor zog ein pflaumenblaues Taschentuch aus seinem grauen Seidenjackett und reichte es ihr. »Früher oder später musst du mit ihm reden.«
    »Hab ich doch schon. Er hat mich nach Berts Tod wegen Mollys Vormundschaft angerufen.«
    »Vielleicht hängt es ja mit dem Nachlass deines Vaters zusammen.«
    »Damit habe ich nichts zu tun.« Sie schnäuzte sich geräuschvoll. Immer hatte sie so getan, als machte es ihr nichts aus, von ihrem Vater enterbt worden zu sein, doch es schmerzte schon, seine Verachtung auf so klare und unmissverständliche Weise spüren zu müssen.
    »Er lässt sich nicht abwimmeln.« Viktor nahm ihre Handtasche, die noch auf dem Sessel lag, wo Pooh ein Nickerchen gemacht hatte, und öffnete sie. Es war eine teure Judith-Lieber-Handtasche, die er in einem schicken Laden im East Village für sie gekauft hatte. Er warf Phoebe einen vorwurfsvollen Blick zu, als er zwischen ihren Sachen ein Milky-Way entdeckte. Er kramte ihren Kamm heraus und brachte wieder ein wenig Ordnung in ihre Frisur.
    Danach suchte er Puder und Lippenstift heraus, und sie richtete sich wieder her. Als die Fassade restauriert war, musterte er sie bewundernd.
    Viktor fand ihre eigenartig exotischen Gesichtszüge, die einige der besten Arbeiten von Arturo Flores inspiriert hatten, weit anziehender als die Totenkopfschädel der ausgehungerten Models, mit denen er es beruflich für gewöhnlich zu tun hatte. Andere waren offenbar derselben Meinung, einschließlich der berühmten Fotografin Asha Belchoir, die erst kürzlich eine Fotoserie mit ihr gemacht hatte.
    »Zieh die zerrissenen Strümpfe aus. Du siehst ja aus wie eine Statistin aus
Les Miserables.«
    Während sie sich gehorsam der Strumpffragmente entledigte, steckte er Puder und Lippenstift wieder in ihre Handtasche. Dann rückte er noch ihr goldenes Feigenblatt zurecht und führte sie zur Tür.
    »Ich will jetzt wirklich niemanden sehen, Viktor.«
    »Na, na, drücken gilt nicht.«
    Mit einem panischen Ausdruck in den großen bernsteinfarbenen Augen blickte sie zu ihm auf. »Ich kann das Theater nicht mehr lange durchhalten.«
    »Warum hörst du dann nicht einfach auf damit?« Er streichelte ihr mit dem Daumen die Wange. »Wer weiß, wahrscheinlich haben die Leute mehr Verständnis, als du glaubst.«
    »Mitleid kann ich einfach nicht ertragen.«
    »Ist es dir lieber, dass keiner dich ausstehen kann?«
    Sie rang sich ein keckes Lächeln ab und griff nach dem Türknauf. »Damit komme ich zurecht. Nur Mitleid kann ich nicht ertragen.«
    Viktor musterte kopfschüttelnd ihr Killer-Kostümchen, das so gar nicht zu diesem Anlass passte.
    »Arme Phoebe. Wann wirst du endlich aufhören, eine Rolle zu spielen?«
    »Wenn sie perfekt ist«, erwiderte sie leise.

2
    Brian Hibbard kramte in den Papieren auf seinem Schoß herum. »Tut mir Leid, einfach so bei Ihnen hereinplatzen zu müssen, Miss Somerville, aber Ihre Haushälterin sagte, Sie würden morgen Abend schon wieder nach Manhattan zurückfliegen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie nur so kurz hier bleiben wollen.«
    Der Anwalt war Ende vierzig, klein und untersetzt, mit einem roten Gesicht und allmählich grau werdendem Haar. Unter seinem maßgeschneiderten schwarzen Anzug zeichnete sich ein kleines Schmerbäuchlein ab.
    Phoebe saß ihm gegenüber in einem der schweren Ohrenbackensessel neben dem massiven steinernen Kamin, der das Wohnzimmer beherrschte. Sie hasste diesen finsteren Raum, mit seiner dunklen Holztäfelung und den muffigen ausgestopften Vögeln und Tierköpfen, die einen immer vorwurfsvoll zu beobachten schienen. Sogar einer der Aschenbecher war ein

Weitere Kostenlose Bücher