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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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auch Monate sein. Mutti erzählte mir, dass Julius Zander mich aus dem Feuer holte. Und dabei sein eigenes Leben riskierte. Sie erzählt mir viel in diesen Tagen. Unablässig und unverdrossen malen ihre Hände Wörter, die mich lebendig machen sollen. Ich schaue durch sie hindurch und bitte sie, ein andermal zu kommen.
    Ich besuchte ihn im Krankenhaus. Zumindest habe ich es versucht. Mit einem geschmacklosen Sträußlein Nelken, das ich noch schnell in der Krankenhausblumenhandlung kaufte. Er befand sich nicht allein im Zimmer. Helga Krause saß ganz nah bei ihm, kauerte auf einem wackeligen Stuhl, an seinem Bett. Hielt seine Hand und beide flüsterten. Er war blass und sah sehr klein aus in dem weißen Bettzeug. Doch seine Augen leuchteten und richteten sich unverwandt auf die Frau, die er eigentlich nicht leiden kann. Ich empfand nichts. Stand nur im Türrahmen und konnte nicht eintreten. Das Glück der beiden und dieser intime Moment, dessen Zeuge ich unfreiwillig wurde, waren zu viel für mich. So schloss ich leise die Tür und ging unbemerkt. Die traurigen Blumen gab ich der überraschten Krankenschwester.
    Auf dem Weg nachhause fuhr mein Auto versehentlich zum Cook & Chill. Oder dem, was davon übrig blieb. Erst als das Gefährt bereits vor dem Haus parkte, bemerkte ich meinen Irrtum. Reglos verharrte ich eine Stunde vor den verbrannten Trümmern meiner Existenz. Mit beiden Armen hielt ich mich selbst umfangen, um nicht ineinander zu fallen wie ein Kartenhaus. Das Gebäude brannte fast vollkommen herunter, sogar die nebenstehenden Häuser verschonte das gierige Feuer nicht. Rußschwarze Geröllhaufen und ein gähnendes Loch, dort wo ich zuhause war. Ich fand mich seltsam hohl und empfindungslos. Irgendwo dazwischen muss ich mit gestorben sein.
    Das Leben ist eine Hure. Ich hasse die Welt hinter dem Fensterglas. Ich betrachte sie lieber aus der Ferne. Und unterdrücke den Impuls, einen Blick nach gegenüber zu erhaschen. Stattdessen ziehe ich die Vorhänge zu. Wende mich ab und verziehe mich in den Schutz der Zeitlosigkeit im Halbdunkel dieser Räume. Zu Anfang klingelte das Telefon stündlich. Ich ging nie ran. Wenn ich die Welt vergessen will, soll sie mich auch vergessen. Geht weg. Lasst mich alle in Ruhe.
    Nur Mutti kommt beharrlich jeden zweiten Tag vorbei. Ihre Hände haben das Reden aufgegeben. Sie belässt nunmehr bei verständnisvollem Schweigen und einem Teller Essen, den sie mir ebenso stumm vorsetzt. Sie geht schnell wieder, während ich still auf meinem Stuhl sitze und die dampfende Speise anstarre. Toleriert meinen Jammer. Vorerst.
    Meine Küche ist sauber. Und leer. Leer wie mein Innerstes. Nur in der Spüle stapelt sich schmutziges Geschirr und daneben auf der Ablage die Pizzaschachteln. Pizza ist eine ausgesprochen tröstliche Angelegenheit. Sie ist heiß, würzig und trieft vor Fett. Am liebsten mag ich sie mit Anchovis und Oliven. Mit so einer Pizza gönnt man sich den Kalorienbedarf eines ganzen Tages. Kein Mensch braucht mehr. Und ich schon gar nicht. Essen ist ein lästiges Übel. Jeder Bissen schmeckt nach Pappe und ich kaue und schlucke nur der Form halber.
    Am liebsten sitze ich reglos auf meinem Teppich auf dem Boden und stiere vor mich hin. Einmal sah ich exakt 60 Minuten lang dem Sekundenzeiger der Wanduhr zu und unterteilte im Geiste die Minuten in Sekunden. Das fand ich sehr inspirierend. Danach dachte ich über Kinderlieder nach und versuchte, sie zu singen. Ich kenne noch genau vierzehn Stück davon. Allerdings nur den Refrain.
    Ich habe mal gelesen, dass Menschen verrückt werden, wenn sie zu lange auf Sozialkontakte verzichten müssen. Nun. Ich rede mit mir selbst. Sollte das der Anfang vom Wahnsinn sein, dann befinde ich mich offensichtlich mittendrin. Ich zucke die Schultern und stelle den kalt gewordenen Kaffee mit Milch in die Mikrowelle. Die andere Katharina Lehner hätte sich geschüttelt vor Widerwillen. Die Neue bleibt gleichgültig.
    Ab und an klingelt es. Manchmal klopft auch jemand an die Tür. Ich mache nicht auf.
     
    *
     
    Am vierundzwanzigsten Kalendertag nehme ich mir vor, etwas Sinnvolles zu tun. Ungünstige Schwingungen blockieren mein inneres Gleichgewicht. Maßgeblich für diese Überlegung ist das Feng-Shui Buch, das ich beim Aufräumen in den staubigen Hemisphären meines Kellers fand. Nebst einer Packung Räucherstäbchen der Sorte Nag Champa in einer blauen Schachtel, deren Duft längst verdrängte Erinnerungen heraufbeschwört.
    Vor etwa zwei Jahren

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