Ausgerechnet Souffle'!
indischen Tänzer durch meine Küche. Julias erstes, strahlendes Lächeln. Fliegende Sushis und die komische Verfolgungsjagd im Hotel. Felix Fotografien, die tief unter die Haut gehen. Franks überheblicher Gesichtsausdruck, als er Julia fertigmacht. Brittas merkwürdige Miene, als ich von Felix schwärme. Sein Sportkumpel mit Andreas T-Shirt. Na klar, ich sah nicht nur sein T-Shirt. Es war Andreas Hinterkopf, und bei weitem kein Zufall, dass ich nie seiner Frontseite ansichtig wurde. Der Frisörbesuch und das flammende Haardesaster. Mein Sturz im Treppenhaus. Franks letzte Worte und das unsichere Flackern in seinen grünen Augen. Die trunkene, wunderbare Nacht und Felix Hand auf meinem Bauch. Brittas gekränkter Blick, als ich ihr die Freundschaft kündige. Ich glaube, mir wird schlecht.
Das Telefon verlangt noch immer nach mir. Das blinkende Display bestätigt meine Ahnung. Felix. Oh mein Gott. Was soll ich bloß tun. Ich starre auf die Uhr, das enervierende Läuten im Ohr. Dicke Trine und das altbekannte Gefühl in der Magengegend. Der Nebensatz nach dem Hauptsatz. Nichts war so, wie es schien. Und nichts lässt sich ungeschehen machen. Verraten und verkauft. Wahrscheinlich lachen sie sich heimlich ins Fäustchen. Ich drücke kurzerhand einen Knopf und entledige mich vorläufig der Wirklichkeit. Der Apparat macht keinen Mucks mehr. Genau. Ich verhalte mich so, wie gehabt. Katharina Lehner entzieht sich dem Schmerz, indem sie so tut, als sei nichts passiert. Meine Schublade ist mindestens so geduldig wie mein Kurzzeitgedächtnis. Sie verschluckt das Handy auf Nimmerwiedersehen.
Ich schleiche in den Waschraum. Stehe minutenlang am Waschbecken und stiere blicklos in den Spiegel. Auf mein verquollenes Gesicht malte jemand mit Theaterschminke eine unnatürliche Blässe. Das Mascara läuft vor meinen Tränen davon. Hat mir zum Hohn dunkle Ränder gemalt. Die Verbrennung tut verflucht weh. Die in mir drin auch. Gott, mir ist wirklich nicht wohl. Ein Schwall schokoladiger Übelkeit rumort in meinem Magen und dringt durch die Speiseröhre hinaus. Würgend und heulend lade ich meinen Kummer in der Kloschüssel ab. Danach geht es etwas besser.
Ich drehe den Hahn auf, lasse eisiges Wasser meine Haut kühlen, zuerst die Finger, die Hände, den Ellbogen, das heiße Gesicht. Kurzerhand stecke ich den ganzen Kopf darunter.
„Mann, siehst du übel aus“, murmele ich der Frau im Wandspiegel zu.
„Was soll ich bloß tun“, flüstert sie. Ich verstecke sie im Handtuch.
Ich weiß es nicht. Tu gar nichts.
*
Das Zeitgefühl kam mir irgendwo zwischen Waschraum und Büro abhanden. In den Zahlen fand ich nach dem zweiten, konzentrierten Anlauf eine dankbare Aufgabe. Klare, logische, ehrliche Zusammenhänge. Kontrollierbar und in sich stimmig. Traurig schließe ich den Buchhaltungsordner. Das dicke Plus erfüllt mich nicht mit Freude. Ein Minus passte besser zu mir und meinem Leben. Das Licht der Straßenlaterne scheint in das enge Kabuff hinein. Das inzwischen dunkle Zimmer trägt watteartige Umrisse, ein bisschen so, als erwache ich aus einem schlimmen Traum. Wenn ich mich bemühe, kann ich so tun, als sei alles in Ordnung. Sogar mein Magen meldet sich zurück im Jetzt. Und verlangt knurrend nach Nahrung.
Der Stuhl ruckelt mit einem knarrenden Geräusch über den Holzboden. Ich erhebe mich schwerfällig, mein Rücken schmerzt vom stundenlangen Sitzen und die Druckstellen der Lehne prickeln auf der Haut. Meine Augen brennen und die Lider sind schwer. Ich bin todmüde. Das ist gut. Der Schlaf ist der kleine Bruder des Vergessens. Doch zuerst muss ich meinen aufrührerischen Bauch füttern.
Vorsichtig schleiche ich mich in die Küche. Was gar nicht nötig ist. Natürlich ist niemand hier, denn es muss lange nach Mitternacht sein. Bereits der vertraute Klang einer sich öffnenden Kühlschranktür tröstet mich. Julius Einkäufe stapeln sich in den engen Fächern. Mein Blick gleitet prüfend über die Zutaten, die mir unter anderen Umständen den Mund wässrig werden ließen. Allerhand vakuumierte Päckchen, Plastikdosen und Gläser blinzeln mir entgegen. Käse aus den Ardennen, Forellenkaviar, Trüffel. Ein halber Seranoschinken, eingelegte Tomaten und Zucchini, Oliven und Meeresfrüchte. Orientalischen Tabbouleh und jede Menge frisches Obst, Johannisbeeren, Kirschen und Mirabellen. Doch momentan geht es nicht um Genuss. Das hier ist eine reine, mechanische Überlebensmaßnahme. Mit beiden Händen greife ich kurz
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