Ausgerechnet Souffle'!
wende mich Britta zu:
„Ich verstehe die Männer nicht.“
Sie beugt sich nach vorne und sieht mich strafend an.
„Ist es das, was ich glaube? Du hast das Fernglas immer noch nicht bei eBay verkauft!?“
Nein. Habe ich nicht. Ich winde mich verlegen auf dem Stuhl. Britta war entsetzt, als sie den Feldstecher auf meiner Küchenfensterbank entdeckte. Obwohl sie sich brennend für meine Nachforschungen interessierte. Offensichtlich überspannte die Art und Weise aber doch ihr Moralgefühl. Vor allem mein Hinweis, dass F. Sanders Kumpel genau dasselbe alberne Logoshirt besitzt, wie ihr Göttergatte Andreas, machte sie beinahe wütend. Schließlich trügen Hunderttausende dieses Shirt, wieso ich mich so darauf versteifte, dass Andreas zufällig das gleiche im Schrank hat. Ich finde, sie übertreibt.
Warum ich mich trotz allem so für Frank Sander interessiere, weiß ich ja selbst nicht. Ich werde nur das dumpfe Gefühl nicht los, dass das Gericht nicht so schmeckt, wie es vorgibt. Meine Menschenkenntnis kann gar nicht so mies sein.
Louise am Nebentisch tut alles andere, als zu lesen. Sie spitzt die Ohren und horcht. Sie wird doch nicht etwa neugierig sein?
„Was?!“ raunze ich Britta an.
Sie runzelt die Brauen und zeigt mit dem Finger auf meine Stirn.
„Du hast da was … ist das Farbe?“
Mit einem rüden „Nein, Möhre“, wende ich mich einer Zeitschrift zu. Unauffällig streiche ich mir den Pony ins Gesicht. Zum Glück gerate ich nicht in weitere Erklärungsnöte, da Sascha sich einem ungeduldigen Gast widmet, der bezahlen möchte. Leider blieb mein Auftritt nicht unbemerkt. Linda stupst mich am Arm und raunt mir ein Vertrauliches:
„Sie behebt das im Nu …“ zu.
Verdutzt schaue ich auf die Visitenkarte, die sie mir diskret in die Hand drückt. Dermatologie-Praxis steht auf dem kleinen Rechteck, dass ich schnell in der Tasche verschwinden lasse. Frau Meininger setzt die Miene eines Dealers auf, der soeben ein Päckchen Hasch vertickt hat. Meine Haut beginnt sofort zu jucken, dabei hatte ich das Desaster gerade mal für zwei Minuten vergessen. Verzweifelt lese ich den Einleitungssatz meines Zweitschriftartikels zum dritten Mal.
Frau Sozialpädagogin nimmt indes Sascha ins Visier und beobachtet ihn beim Büchersortieren. Er tut das wie stets ungemein sorgfältig. Bedauerlicherweise macht er es immer noch nicht korrekt. Ich muss ein ernstes Wort mit Britta reden. Der Gute denkt offensichtlich an alles andere, während er Löcher in die Einbände starrt, um sie folglich dorthin zu stellen, wo sie hübsch anzusehen sind, aber das war´s auch schon.
„Britta …“
Meine Freundin ignoriert mich. Stattdessen veranstaltet sie offenbar mit Sascha so etwas wie telepathische Experimente. „Sschscht!“ fährt sie mir ungehalten über den Mund. Sie beugt sich nach vorne und analysiert unverhohlen seine Bewegungen.
„Er kann nicht lesen.“
Ich habe mich verhört. Ich lache.
„Ich habe gerade verstanden, du hättest gesagt er könne nicht …“
Britta sieht mich düster an. Ihr Blick sagt: Das ist nicht komisch.
Louise schreibt in ihr Notizbuch. Ich senke meine Stimme.
„Quatsch!“ entfährt es mir. „Er …“
Doch nun schaue ich genauer hin. Sascha greift nach einem Buch und betrachtet es lange. Er schlägt ein paar bebilderte Seiten auf und schließt es wieder. Seine Finger betasten den Einband. Er denkt nach. Nun gleitet sein Blick suchend über das Regal. Er nimmt ein anderes Kochbuch aus dem darüber liegenden Brett herunter und blättert ebenfalls darin. Und jetzt sehe ich es. Er vergleicht die Abbildungen. Dann ordnet er beide Bände gemeinsam in derselben Rubrik ein.
„Der sortiert die Bücher nach Bildern!“
Ich flüstere es in fassungsloser Faszination. Britta hält nur den Zeigefinger an die Lippen und schüttelt rasch den Kopf.
Louise wendet sich auffällig konzentriert ihrer Lektüre zu. Derzeit liest sie Thomas Mann. Ob sich diese Frau jemals mit trivialen Dingen beschäftigt?
„Sascha, kommst du bitte in mein Büro?“
*
Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, zum Chef zitiert zu werden, ohne konkret zu wissen, was man verbrochen hat. Dr. Johannes Hennemann verstand es in geradezu perfider Art und Weise, einen kompletten Führungsstil daraus zu konstruieren. Wir bezeichneten diese Gespräche als „Sardinensitzungen“, weil danach nicht mehr von einem übrig blieb, als das, was in eine ebensolche Büchse passte. Nach diesem System wird der Mitarbeiter bereits
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