Ausgerechnet Souffle'!
mir vorbei, während ich fieberhaft im untersten Bord nach einem Kauknochen höheren Verfallsdatums wühle. Das „Schlapp-Schlapp“ seiner Schritte nähert sich gefährlich und verstummt. Mist. Der bleibt doch nicht etwa stehen, oder?
Die Kante des Bodenregals bohrt sich schmerzhaft in meine Knie, aber der Effekt, fast gänzlich in dem Aufsteller zu verschwinden, entschädigt mich für die Pein. Es geht sogar weitaus tiefer, wenn ich den Bauch einziehe. Es knistert, rumpelt und scheppert. Ich brauche Minuten, um mich zwischen einem Naturschweineohr und einem mit Pansen gefüllten Kalbsknochen zu entscheiden. Vorsichtig spähe ich seitlich an den Tüten vorbei. Igitt, ich wusste bis dato nicht, dass Hundeflocken so eklig riechen. Inzwischen ist die Luft rein. Weder links noch rechts erspähe ich jeansbekleidete Männerbeine.
Ich war nie so hurtig aus einem Lebensmittelgeschäft raus wie heute. Ich belud kurzerhand und wahllos einen Karton bis zur Oberkante mit Gemüse, damit ich nicht umsonst im Supermarkt Blut und Angstschweiß schwitzte. Nun schwanke ich beträchtlich unter dem Gewicht, erreiche jedoch unbehelligt die Kasse. Den Hundeknochen zahle ich anstandslos mit. Frank ist wie vom Erdboden verschluckt. Jetzt nichts wie weg hier und flugs zum Auto. Als ich in der Pappkiste hektisch nach meinem Autoschlüssel wühle, entschließt sich diese natürlich, den Boden zu verlieren. Ich sammle also begleitet von mitleidigen und manch spöttischen Blicken auf dem Parkplatz mein verstreutes Grünzeug auf. Selbstverständlich kullert die Enthaarungscreme direkt vor die Füße eines gut aussehenden Herrn in den Dreißigern. Mal wieder denke ich mir, dass mein Leben unsäglich chaotisch ist, während ich die Familientube peinlich berührt entgegennehme und in meiner Jackentasche verschwinden lasse.
*
„Hehe…“ meckert es aus der hinteren Reihe, „wohl zu lange auf der Sonnenbank geräkelt, hm?“
Mein Lieblingsschüler grinst schadenfroh.
„Sander, halt die Klappe.“
Dr. Hennemann nickt mir ermunternd zu. So ignoriere ich Frank und widerstehe der Versuchung, mir die Stirn zu kratzen. Frau Dr. Hase hat mir eine wirklich angenehme Salbe verschrieben und meine möhrengeschundene Haut fühlt sich nach der Behandlung schon wesentlich besser an. Was nichts daran ändert, dass ich noch immer grauenvoll aussehe. Es war zu erwarten, dass mein Nachbar es nicht über sich bringt, wie die anderen taktvoll darüber hinwegzusehen. So fahre ich mit meinen Ausführungen fort und reiche das Haiku zur Ansicht an meine Schüler weiter, nicht ohne die Klinge drohend Richtung Frank zu schwenken. Der lacht bloß. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, das ihm durchaus klar ist, wer im Supermarkt sprichwörtlich zu seinen Füßen lag.
Julia Wagners Gesicht liest sich wie ein spannender Thriller. Sie verzieht angespannt die Mundwinkel und ein leises Zischen entfährt ihren Lippen. Sie hält die Schneide dicht vor die Brille, um die Inschrift lesen zu können. Dann dreht sie den Griff und erfasst angestrengt jede Einzelheit der Verarbeitung. Ich kann mich der zunehmenden Begeisterung nicht entziehen, die ihr Eifer in mir wachruft. Vida und Lukas beginnen albern, in der Küche herumzuhüpfen und einen imaginären Fechtkampf auszutragen. Frank bohrt gelangweilt die Spitze seines Kochmessers in die Arbeitsplatte. Ich strafe ihn mit einem bösen Blick und schüttle den Kopf. Was ihn nicht weiter beeindruckt. Friedrich und Johannes wiegen die Messer in der Hand und vergleichen die unterschiedlichen Klingengrößen. Ich muss plötzlich an Männertoiletten denken.
Friedrich trägt heute ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Alles unter 400 Gramm ist Carpaccio“, den ich unlängst auf der Brust eines bekannten Sternekochs im Fernsehen las. Trotz seiner unüberhörbaren Macke ist er ein so überaus angenehmer, lockerer Typ. Ich gewöhne mich daran, dass er irgendwie zu zweit ist. Die anderen scheint es nicht zu stören. Ich vernehme nie auch nur eine abfällige Bemerkung. Vidas Kichern zählt nicht. Das tut sie schließlich andauernd. Nicht einmal der Fiesling wagt es, gemein zu Friedrich zu sein. Stattdessen findet dieser sogar Zugang zu Frank. Seine Liebenswürdigkeit hält die kleine Truppe zusammen, schafft eine ausgewogene Dynamik. Selbst Dr. Johannes Hennemann wird davon berührt. Kaum zu glauben, wie ungezwungen und entspannt der sonst so knochentrockene Jurist sein kann. Ich finde es nach wie vor gewöhnungsbedürftig, ihn mit dem
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