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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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Kern der Aussage. Ein Koch ist ohne seine Klinge regelrecht verloren. Vermutlich würde die Qualität seines Essens nicht wesentlich leiden. Doch die Sicherheit, die Freude und die Liebe könnten sein Tun nicht füllen. Was das Gericht zwangsläufig zum Mittelmaß degradierte. Das stille Kleinod meiner perfekten Küche ist meine japanische Messersammlung.
    Exzellente, japanische Messer hält ein Meisterkoch für unverzichtbar. Man nennt sie Santoku, was „Messer der drei Tugenden“ bedeutet. Damit wird betont, dass sie sich für Fleisch, Fisch und Gemüse eignen. Die Kunst des Schwertschmiedens besitzt in Japan eine lange Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ein Santoku verfügt über einen vorzüglichen Schliff, kompromisslos auf Schärfe geeicht. Ursächlich sind der verwendete Stahl und die vielen übereinander geschmiedeten Schichten, aus denen das Blatt hergestellt wird. Außerdem ist es einwandfrei ausbalanciert, der Griff ruht immer exakt in der Hand.
    Meine Messer tragen die Namen berühmter Samurais. Sekiryu, Haiku und Tojiro. Zieht man die sauscharfe Klinge aus dem Messerblock, so ertönt ein lieblich zischendes, unglaublich gefährliches Geräusch. Ich kriege jedes Mal eine Gänsehaut. Für meine Schüler erstand ich mehrere Sätze einfacher Kochmesser. Mein Haiku liegt sorgsam in ein Tuch eingeschlagen in meiner privaten Schublade. Als Köchin, die etwas auf sich hält, bin ich damit eigen und werde äußerst unangenehm, wenn ein Ungläubiger mit seinen unbedarften Fingern mein Kleinod entweiht.
    Der korrekte Umgang mit einem Messer will gelernt sein. Diese Lektion möchte ich meinen Lieben unter keinen Umständen vorenthalten. Zu diesem Zweck fahre ich heute noch mal schnell zum Einkaufen, um Material zum Schneiden und Hacken zu besorgen. Das Gericht des Abends soll eine italienische Minestrone sein.
     
    *
     
    Das Schöne am Leben in der Großstadt ist, dass durch das Spektrum an bunten Individuen der einzelne Irre bestenfalls untergeht. Wer gegen Spätnachmittag in der Innenstadt einen Supermarkt aufsucht, tut dies aus Beweggründen, die so gut wie nichts mit Nahrungsbeschaffung zu tun haben. Der Single an sich findet hier das ergiebigste Jagdgebiet für jedes beliebige Beuteschema. Allein der Inhalt eines Einkaufswagens sagt mehr über den Einkäufer aus, als er denkt. Von daher meidet der Suchende den Kontakt mit Familienpackungen, Windeln und der Eispackung für Verliebte. Interesse wecken hingegen Rollwägen männlicher Zeitgenossen mit Fertigprodukten und Konserven, garniert mit einer Tüte Chips und teurem Rotwein. Die weibliche Singlefrau kauft vornehmlich Kleinpackungen, und zwar in fettfrei oder zumindest kalorienreduziert, massenweise Rohkost und dazu das sündige Täfelchen Zartbitterschokolade. Auch den Lebensstil vermag man genauestens zu erforschen, ob Sofalieger oder Sportler, Student oder Gourmet, ob Hundeliebhaber oder doch eher Katzenmensch. Ein Einkaufswagen ist reine Psychologie. Ich bin mir nicht sicher, was meiner über mich aussagt. Seit einer halben Stunde schiebe ich ein Gefährt in der Größe eines Lkws durch die unermesslichen Weiten der Gemüseabteilung. Darin liegen gerade mal ein Bund Porree und eine Packung Haarentfernungscreme im Sonderangebot. Schnelle Besorgungen sind mir ein Gräuel. Im Allgemeinen überfordert mich eine allzu üppige Auswahl. Es ärgert mich zudem maßlos, dass das vordere linke Rad meines Vehikels offenbar klemmt. Das Ding entwickelt ein Eigenleben mit einem äußerst anstrengenden Linksdrall, dem ich nur mühsam entgegensteuern kann. Nachdem ich, den Kopf nach rechts gewandt, beinahe in einen Erdbeerkistenstapel gefahren wäre, bin ich kurz davor, das widerspenstige Fuhrwerk mitten im Korridor zu vergessen. Auch wenn es einen Euro kostet. Derweil ich mit mir hadere, meine Einkäufe mittels eines Kartons schleppender statt fahrenderweise zu Ende zu bringen, wird mir diese Entscheidung abgenommen. Da vorne schlendert Frank Sander auf mich zu. Obwohl es hier drin stockduster ist, trägt er eine Sonnenbrille. Das Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, schlurft er lässig mit Flip Flops zwischen den Zehen auf mich zu. Ich lasse den Wagen los, ignoriere den tadelnden Blick der Verkäuferin und biege schleunigst in den nächsten Gang ab. Leider kommt mein Nachbar auf die gleiche Idee.
    Reflexartig sinke ich in die Hocke und tue so, als suche ich nach einer bestimmten Sorte Hundefutter. Frank schiebt seinen Einkaufswagen an

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