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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
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der Hand. Er diktierte im Geiste einen Brief an sich selbst:
    Sehr geehrter Herr Keller,
    vielen Dank für die Zusendung ihres Lebensentwurfes. Nach eingehender Prüfung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir keine Möglichkeit für eine erfolgreiche Weiterführung ihres bisherigen Lebens sehen. Bitte werten Sie diese Absage als persönliches Urteil. Es ist leider nicht möglich, dass ein anderes Label zu einem anderen Urteil kommt. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir unsere Entscheidung aufgrund der Vielzahl der zerplatzten Träume nicht weiter begründen können. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg im Getränkehandel.
    Mit freundlichen Grüßen
    Sony BMG

    Am folgenden Tag lag Linus mehrere Stunden auf seinem Sofa und schaltete die eintausendneunundsechzig Programmplätze seines Sat-Receivers einmal komplett durch.
    Immer wieder fiel sein Blick auf ein bräunlich-gelbes Kunstwerk an der Wand über seinem Bett. Er hatte in der vergangenen Nacht zwölf Flaschen Bier getrunken. Und er hatte, wahrscheinlich während er sich der neunten Flasche gewidmet hatte, einen Apfel mit voller Wucht gegen die Zimmerwand geworfen. Es hatte eine Apfel-Explosion gegeben.
    In der Mitte des Werkes klebte ein angelaufenes Stück Apfel mit roter Schale. Eine breiartige Erhebung auf der Raufasertapete, sogar ein Kern klebte noch im Zentrum. Zu allen Saiten klebten kleinste Apfelfetzen in ihrem getrockneten Eigensaft. Das Ganze sah aus wie das Stillleben eines Feuerwerks. Davor, auf seinem Bett und dem alten Laminat, lagen Bröckchen. Apfelbröckchen.
    Linus beschloss, die Apfel-Explosion kleben zu lassen. Kunstwerke sollten etwas aussagen. Dieses hier war eine Mahnung.
    Erst am frühen Abend schaltete Linus den Fernseher aus. Er musste raus an die frische Luft, wie so oft.
    Er öffnete seinen Kleiderschrank und durchsuchte die Fächer nach etwas, das ihm gefiel. Ratlos, unschlüssig, verzweifelt. Da hingen Hawaii-Hemden neben hellblauen Business-Hemden, weiße T-Shirts neben bunten Polo-Shirts, ein Parka neben einem Jacket, Jeans neben Cord.
    Sein Besitz an Kleidung spiegelte ziemlich gut wider, wer oder was er war. In über dreißig Lebensjahren hatte sich kein individueller oder zumindest sicherer Stil herausgebildet.
    Zu jedem Anlass ließ sich etwas finden, doch es sah nicht danach aus, als würde er selbst einmal der Anlass sein.
    Er blickte wieder an sich hinab, sah schließlich ein, dass er wirklich nicht im Schlafanzug in die Stadt gehen konnte, und so kramte er eine Jeans und einen schlichten braunen Pullover heraus.
    Kurz darauf musterte er seine Wahl im Spiegel, drehte sich nach links und nach rechts. Er überlegte, ob er sich eine Glatze rasieren sollte.
    Einige Lampen im Internet-Café waren repariert worden. Die schummrige Atmosphäre, an die Linus sich in den letzten Wochen gewöhnt hatte, war dahin.
    Er wählte sich ins Netz ein, öffnete Google und gab »ölkjasdfölkjasdfölkj« ein, was zu keinem Treffer führte.
    Er ließ seinen Blick immer wieder durch das Café schweifen, vor und zurück und vor, doch sie war nicht da.
    Er war erleichtert. Und er war enttäuscht.
    Über eine halbe Stunde lang hielt er sich hinter dem Computer auf, ohne ihn zu benutzten. Er beobachtete die Leute, schlürfte einen klebrigen Schoko-Cappuccino, von dem er kurzzeitig Bauchschmerzen bekam, und las abwechselnd in einem Stadtmagazin und in seinem SMS-Eingang die Kurznachrichten von Holger.
    Wir müssen kämpfen. Man kann einen traum nich einfach austauschen. Glaubst du wirklich, wir sind zu alt?
    Linus antwortete:
    Ich weiß nicht ob wir zu alt sind, aber ich glaube nicht mehr daran dass jemand auf uns wartet, als musiker.
    Holger antwortete:
    Lass uns auf tournee gehen. Wir erspielen uns unser publikum. Auf die gute alte art.
    Linus schrieb:
    Erzähl das brunssen. Nein, erzähls ihm nich. Hab einfach keinen bock mehr.
    Holger schrieb daraufhin nichts mehr.
    Statt direkt von der nächsten Haltestelle mit der Straßenbahn nach Hause zu fahren, spazierte Linus in einem großen Bogen über den Markt, schlenderte durch die Böttcherstraße und ging in Richtung Weser. Er zögerte die Einsamkeit hinaus, die ihn in seiner Wohnung erwartete.
    Vor dem Eingang einer der vielen Bars an der Schlachte, einer breiten Promenade entlang der Weser, blieb er eine Weile stehen. Er haderte mit sich, hatte Durst auf ein Bier, erinnerte sich aber auch an die immer gleichen elenden Morgen danach, an denen er sich demütig seiner Schwäche bewusst wurde und
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