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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
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Regen.
    Wie oft war diese Geschichte schon erzählt worden? Hunderte Drehbuchautoren hatten damit ihre Filmvorlagen bereichert, tausende ganzer Romane gab es über Träume und ihr Sterben, Menschen und das Scheitern.
    Geschichten konnte es aber noch so viele darüber geben. Es selbst zu erleben, durch eine dunkle feuchte Stadt zu laufen und zu begreifen, dass man kostbare Zeit damit verbracht hat, in eine falsche Richtung zu gehen, war mit keinem Film und keinem Roman vergleichbar. Seine Träume hatten ihn in das Personalbüro eines Getränkemarktes geführt statt in das Büro eines Musikmanagers. Er hatte seine Aufmerksamkeit und Energie zeitlebens auf ein Ziel gerichtet, das kaum erreichbarer war als ein Lottogewinn.
    Linus kehrte zurück zur Haltestelle und fuhr mit dem Bus ins Zentrum. Die Geschäfte hatten geschlossen, der Regen war schwächer geworden.
    Vor den Plastikspiegeln einer C&A-Filiale blieb er stehen und betrachtete sich. Seine Augen waren etwas gerötet. Er zupfte seine nassen Haare zurecht, stellte den Kragen seiner Jacke auf und machte ein ernstes Gesicht. Durch die Verzerrung der billigen Plastikspiegel wirkte das unweigerlich komisch, und Linus musste grinsen.
    Er machte sich auf den Weg zum Internet-Café am Brill.
    Er hatte keine Ahnung, was er sich davon versprach. Abstrakte Ablenkung? Anonyme Gesellschaft? Oder etwas anderes, etwas ganz Bestimmtes?
    Vor dem Internet-Café verlangsamte er seinen Schritt und näherte sich unschlüssig dem Eingang. Er ließ seinen Blick durch den Laden schweifen. Der Platz, an dem er die letzten Male gesessen hatte, war frei.
    Daneben – saß sie!
    Er blieb auf der dreistufigen Eingangstreppe stehen. In diesem Moment drehte sie sich zur Seite, ihr Blick fiel in seine Richtung.
    Er wich zurück, versteckte sich hinter der Hausmauer und trieb sich dann minutenlang nervös im Eingangsbereich herum, tat so, als würde er SMS schreiben, seine Mailbox abhören, auf jemanden warten. Und während er das tat, wurde ihm klar, dass er nicht hineingehen würde.
    In seinem Kopf wurde etwas ausgelöst.
    Angst.
    Eine Sperre, die er nicht überwinden konnte. Eine Chance segelte vorbei, nur ein paar Schritte entfernt, und doch war Linus unfähig, sie zu ergreifen.
    Er lief zur nächsten Haltestelle und bestieg die Straßenbahn Richtung Neustadt.
    Das Fahrwasser seiner Zuversicht war versickert. Er war auf Grund gelaufen und jetzt steckte er fest.
    An einer Haltestelle in der Nähe seiner Wohnung stieg er aus, lief ein Stück zu einem kleinen Supermarkt, der noch geöffnet hatte, und kaufte sich einen Träger Bier. Er schleppte ihn nach Hause, die Treppen hoch, betrat seine Wohnung und legte zwei Flaschen in das Eisfach seines Kühlschrankes. Den Rest legte er in den Kühlbereich. So machte er es neuerdings immer. Zwei ins Eisfach, vier in den Kühlschrank.
    Er stellte sich ans Wohnzimmerfenster und sah hinaus, zählte Autos auf der Straße und Regentropfen an der Scheibe. Er legte eine CD von Faith No More ein und drehte Stripsearch laut, für ein Mietshaus viel zu laut.
    Er holte eine der kaum gekühlten Flaschen wieder aus dem Eisfach, öffnete sie und tat, was er in den letzten Wochen so ausgiebig geübt hatte.
    Er trank und versank dabei in ein verwirrendes Wechselbad aus Zweifel und Zuversicht.
    Die Zuversicht gründete auf einen einfachen Vorgang, den der Alkohol in seinem Hirn aktivierte. Zuerst verschaffte die Droge Egalität und bereitete damit den Boden für Hirngespinste aller Art.
    Dann ergriff ihn Euphorie, eine in den alkoholverschleierten Momenten tatsächlich feste Überzeugung, alles sei erreichbar.
    Aber selbstverständlich, welcher Betrunkene würde das bezweifeln, war nicht heute alles möglich, sondern morgen. Heute war es bereits zu spät, die ersten Flaschen waren getrunken, der Geist zwar Willens, aber nicht mehr klar, und so würde heute weitergetrunken, und wenn es nur den Zweck hatte, sich gebührend vom alten Leben zu verabschieden.
    Gegen elf baumelte in Linus’ Hand die letzte Flasche aus dem Kühlschrank. Ein gefährlicher Hochmut hatte sich in seine Stimmung geätzt.
    Er hatte das Gefühl, seinen Abschied vom Lebenswandel der letzten Wochen noch nicht ausgiebig genug ausgekostet zu haben. Es konnte nicht schaden, wenn es ihm morgen richtig schlecht ging. Er zog sich Schuhe und Jacke an und ging zum Kiosk, um sich einen zweiten Träger Bier zu kaufen. Er rotzte laut und ungeniert auf die Straße, einmal rutschte ihm beinahe der Sechserträger aus
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