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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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sie ein paar Meter an der Bürgermeister-Smid-Straße entlanggelaufen waren, kamen sie zu einer Haltestelle.
    Sie zeigte auf eine heranrollende Straßenbahn. »Das ist meine.«
    »Okay«, sagte er.
    »Mit wem hatte ich denn das Vergnügen?«
    »Linus.«
    Der Windzug der Straßenbahn wirbelte ihre braunen Haare durcheinander. Leute drängten zu den sich öffnenden Türen der Bahn.
    »Jana.« Sie reichte ihm die Hand, jemand rempelte sie an.
    »Wollen wir das irgendwann …?«, begann er.
    »Klar.« Mit einer Handvoll anderer Menschen ließ sie sich halbwegs rückwärts in die Bahn schieben.
    »Morgen?«
    Sie zuckte einmal leicht mit den Schultern. Ihr Gesichtsausdruck passte nicht zu dieser unschlüssigen Geste.
    »Gleiche Zeit?«, fragte er noch, dann schlossen sich die Türen. Durch die Scheibe sah er sie noch winken und nicken. War das ein Nicken? Eine Perspektive? Die Straßenbahn surrte und grummelte los und zeigte ihm rote Rücklichter. Er setzte sich unter das Plexiglasdach der Haltestelle und verharrte dort ein paar Minuten.
    Unbewusst hatte sich ein Lächeln auf sein Gesicht gelegt.
    Nach einer Weile stand er auf und ging zurück zu der Bar, um sich ein Bier zu bestellen.

Inzwischen war es Anfang April.
    Linus Keller konnte sich zu nichts mehr aufraffen.
    Früher hatte er in solchen Phasen zumindest regelmäßig seine Wohnung sauber gemacht, um sich vorübergehend besser zu fühlen. Doch nun war er unmerklich in einen Zustand geraten, in dem es ihn sogar überforderte, ein Zimmer zu staubsaugen oder eine Glühbirne auszuwechseln.
    Ein Gefühl tiefster Unruhe hatte ihn beschlichen, nicht nur, wenn etwas nicht sofort klappte, sondern wenn etwas bloß getan werden musste. So ging er allem aus dem Weg und registrierte teilnahmslos die Staubablagerungen in den Ecken seiner Wohnung.
    Er wollte nichts kochen, keine Wäsche machen, sogar rasieren hielt er für zu aufwendig. Er freute sich nur noch selten auf die immer gleichen Abende, an denen er sich ab achtzehn Uhr mit einer Flasche Wein oder einem Sechserträger Bier in seiner Wohnung in Gleichgültigkeit übte. Er hatte Angst, dass es irgendwann ein Sechserträger Wein sein würde.
    Jana war vor zwei Wochen nicht an die Weser gekommen. Auch an den folgenden Tagen hatte Linus sie nicht getroffen. Nicht an der Promenade, nicht auf der Teerhofbrücke, nicht an ihrer Haltestelle, nicht im Internet-Café.
    Vielleicht hatte sie einen Freund, vielleicht war sie verheiratet. Was wusste er schon über sie? Nur ihren Vornamen, das war alles.
    Das machte es immerhin leichter, sie als Perspektive zu streichen, sie zu vergessen, weil er eben keine Hintergründe kannte, die es zusammen mit dem Namen und dem kurzen Eindruck zu vergessen galt. Nicht einmal einen Song gab es, der ihn an sie erinnerte. So weit waren sie ja gar nicht erst gekommen.
    Er schlich durch seine Wohnung. Er schrieb das Wort »Aufräumen« auf einen Kalender, zwei Tage unter dem aktuellen Datum. Wenigstens das. Guter Wille.
    Am Nachmittag klingelte das Telefon.
    Bestimmt war es Holger. In den vergangenen Tagen hatte er mehrmals angerufen. Meistens war er betrunken gewesen. Linus vermutete, dass er manchmal besonders deutlich lallte, um gesteigerte Aufmerksamkeit zu erhaschen. Holger hatte eine schlechte Phase, schon seit Wochen, aber die hatte Linus auch, und Holgers Art, damit umzugehen, war nicht Linus’ Art, damit umzugehen.
    Deshalb war Linus in den letzten Tagen nicht ans Telefon gegangen. Er wollte Holger nicht mehr hören. Auch heute erstarb das Klingeln, ohne dass Linus den Hörer abnahm.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch neben dem Bett und begann zögerlich zu kramen. Er ließ alles auf den Boden fallen, was für den Papiermüll bestimmt war. Und er machte fünf Stapel. Post vom Arbeitsamt, Stromrechnungen, Kontoauszüge, Versicherungen, Sonstiges.
    Er heftete die verschiedenen Papiere in zwei Ordner. Die Kontoauszüge ließ er auf dem Schreibtisch liegen. Er nahm sich vor, einen entsprechenden Ordner zu besorgen. Auf seinen Kalender schrieb er ein paar Tagesspalten unter »Aufräumen« die Worte »Ordner kaufen«.
    Er sortierte die Kontoauszüge chronologisch. Manchmal hielt er inne und las einen Eintrag.
    Kontoauszüge konnten wie ein Tagebuch sein. Sie beschränkten sich auf Datierungen, Beträge und Verwendungszwecke, doch das reichte, um Linus daran zu erinnern, was für andere, schönere Zeiten hinter ihm lagen.
    Nachdenklich betrachtete er einen Auzug von Dezember

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