Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
Vom Netzwerk:
wird es doch niemandem zur Leidenschaft. Höchstens für Wein kann man eine Leidenschaft entwickeln, oder? Aber wenn einer gerne Wein trinkt, ist er noch lange kein guter Getränkeverkäufer. Ich meine, ich werde Ihnen hier nicht vormachen, dass das mein Traumjob ist.«
    Linus nahm erstaunt zur Kenntnis, dass der Mann aufmunternd nickte. Die Lust an diesem Vortrag wird ihm bald vergehen, dachte Linus und fuhr fort.
    »Ich meine, um es auf den Punkt zu bringen … ich bin etwas verzweifelt, verstehen Sie? Ich bin, na ja, ich bin eigentlich ein Künstler.«
    Linus, dessen Blick inzwischen zu Boden gerichtet war, sah unsicher zu Herrn Drink auf. »Künstler klingt auch daneben. Ich bin eigentlich Musiker, verstehen Sie?«
    Drinks Aufgeschlossenheit klang etwas künstlich, als er nachhakte. »Musik ist doch Kunst. Welche Art von Musik machen sie denn?«
    »Ich mache … nein, ich habe Musik gemacht. Gitarre! Und Gesang. Der war zwar nicht brillant, aber gut. Okay war der. Ich hab es aber aufgegeben.«
    »Warum?« Drink lächelte so ermutigend, dass Linus allmählich das Gefühl bekam, sich in einer therapeutischen Sitzung zu befinden und nicht in einem Vorstellungsgespräch.
    Er zuckte mit den Schultern, er hatte nichts zu verlieren, er konnte reden. »Weil es ein Traum war. Ich meine, man wird ja nicht einfach ein Rockstar, bloß weil man es will und weil man gut ist. Heute wird einem ja jeden Tag im Fernsehen vorgegaukelt, dass jeder auch noch so untalentierte Freak es schaffen kann, wenn er nur an sich glaubt. Aber es braucht mehr. Er braucht verdammt noch mal eine willige Plattenfirma. Und Glück. Verdammt viel Glück.«
    Linus war jetzt bis auf die Stuhlkante vorgerutscht und tippte mit dem Finger auf den Schreibtisch des Mannes. »Wobei das, was einige als Glück bezeichnen, ja nichts weiter ist als Unterstützung. Oder sagen wir, es ist das Glück, jemanden zu finden, der einen unterstützt. Und dieses Glück …« Er ließ sich zurück gegen die Stuhllehne plumpsen. »… dieses Glück ist einfach so selten wie kleine Jungen, deren Traum es von Kindheit an ist, Getränkehändler zu werden.«
    Linus schluckte, als er begriff, was er da gesagt hatte. Möglicherweise hatte er den Mann beleidigt. Verunsichert sah er Drink an, doch der nickte freundlich, ja beinahe wissend.
    »Wissen Sie, das Tragische ist, dass die Chance auf Unterstützung nicht davon abhängt, wie gut Ihre Arbeit ist, sondern von der Lust und Laune der Leute mit dem Geld. Seit Jahren werden die A&R-Posten bei den Plattenfirmen an Betriebswirtschaftler vergeben. Da, wo über gute und schlechte Musik entschieden wird, sitzen verdammt noch mal keine Musikexperten, sondern Wirtschaftsfachleute. Ich meine, es würde sich doch auch niemand seine Urlaubslektüre von Josef Ackermann empfehlen lassen, oder?«
    Das Lächeln fiel Herrn Drink zusehends schwerer.
    »Entschuldigen Sie, ich komme vom Thema ab. Ich wollte nur klarstellen, dass …« Linus atmete schwer aus. »Möglicherweise würde es mir einfach gut tun, ein paar Kisten zu stapeln.«
    Drink musterte ihn. Er ließ sich Zeit mit einer Reaktion.
    »Tja, Herr Keller«, sagte er schließlich. »Was soll ich sagen? Ich finde es gut, dass sie so ehrlich sind. In gewisser Weise beeindruckt mich das. Aber ich habe heute natürlich noch ein paar Gespräche zu führen.«
    Er stand auf und streckte Linus seine klobige Hand entgegen. »Ich werde mich bei Ihnen melden.«
    Linus stand auf und reichte dem Mann die Hand.
    »Danke«, sagte er. »Ich werde dann mal … werde dann mal abwarten.«
    »Alles klar«, antwortete Drink.
    Linus verließ das Büro, trottete die Treppen hinunter zum Hintereingang und trat hinaus auf den Parkplatz. Er richtete seinen Blick empor in den dunklen Himmel.
    Für einen Moment fühlte er sich gut. Aber ein Moment ist flüchtig, eine enorm kurze Zeitspanne. Und so schlug der Moment, in dem Linus dachte, das Richtige zu tun und daraus etwas Zufriedenheit ernten zu können, wieder um, in einen Moment, in dem der Boden unter seinen Füßen einen Riss bekam.
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle wurde sein Blick starr und glasig, und er verkniff sich das Blinzeln, damit sich keine Träne löste. Mit eingezogenem Kopf und den Händen in den Taschen bog er kurz vor seiner Haltestelle in eine schmale Straße mit hohen Reihenhäusern, weg vom Verkehr, weg von den Menschen. Er presste die Zähne aufeinander, und nun liefen ein paar Tränen über seine Wangen. Und in seinem Nacken spürte er den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher