Ausgesaugt
herumzuballern. Ich bin ihnen sehr verbunden, dass sie sich für eine nichttödliche Waffe entschieden haben, die eigentlich zur Bekämpfung von Unruhen gedacht ist. Die allerdings ist schon aufsehenerregend genug. Und die Treffer haben scheißwehgetan. Eine solche Waffe schießt man üblicherweise aus fünf bis zehn Metern Entfernung ab. Und dann zielt man auf den Boden, damit die Geschosse davon abprallen und die Beine der Aufständischen treffen. Das gibt dann blaue Flecken, aber ein ordentlicher Pferdekuss hat noch niemanden umgebracht. Doch aus einem Meter Entfernung direkt in die Brust? Das macht die ganze Erfahrung etwas intensiver.
Als ich mich bewege, spüre ich, wie die Rippenstücke aufeinanderschaben. Also höre ich auf, mich zu bewegen.
Ein paar der Holzgeschosse sind von meiner Brust abgeprallt und in meinem Gesicht gelandet. Daher spüre ich, wie getrocknetes Blut von meinem Auge rieselt, als ich es öffne. Dasselbe passiert, als ich meine Lippen bewege.
Ich sehe Neonröhren, die an einer Betondecke befestigt sind. Es riecht nach Benzin, Abgasen und Motoröl. Von irgendwoher höre ich das Echo eines anspringenden Motors, dann Reifenquietschen.
Ich bin in einem Parkhaus.
– Arschloch.
Ich drehe meinen Kopf. Das tut weh und bestätigt nur, was ich schon wusste. Ich befinde mich in einem Parkhaus. Neben mir steht ein schwarzer SUV, dahinter parken ein paar Limousinen. Eine Rampe führt zur Ebene darunter, aber ich entdecke keine, die noch weiter raufführt. Wir sind also ganz oben.
– Arschloch.
Ach ja, und dann ist da noch der Typ, der auf mich geschossen hat.
Er hat den Overall abgelegt. Darunter trägt er einen schwarzen Anzug. Inzwischen umweht ihn nur noch ein leichter Bleichmittelgeruch, mit dem sie den Vyrusgestank überdeckt haben. Die orangefarbene, bedingt tödliche Waffe hält er jedoch nach wie vor in der Hand. Und er hat sie immer noch auf mich gerichtet.
– Arschloch.
Jetzt habe ich einigermaßen den Überblick über die Situation und schaue ihn an.
– Führst du Selbstgespräche?
Er nickt.
– Witzig, du Arschloch.
Er legt an und zielt mit der Waffe auf mein Gesicht.
– In der nächsten Patrone ist Pfefferspray.
– Schon kapiert.
– Wenn du was versuchst, kriegst du die volle Ladung in die Fresse.
– Schon kapiert.
– Wirst schon sehen, wie dir eine volle Ladung Pfefferspray schmeckt.
– Schon kapiert, hab ich gesagt.
– Eine falsche Bewegung, und Bäng!
– Ja, wie gesagt, ich hab’s kapiert . Pfefferspray, die volle Ladung in die Fresse. Und jetzt halt endlich das Maul, damit ich in Ruhe hier liegen und mir vorstellen kann, was es für ein tolles Gefühl sein wird, wenn ich dir den Lauf dieses Scheißdings ins Maul stopfe und dir das Zeug in die Kehle jage.
Bäng!
Eine volle Ladung Pfefferspray in der Fresse ist selbst für mich eine neue Erfahrung. Jetzt kann ich auch auf meinem verbliebenen Auge nichts mehr sehen. Das Spray dringt mir in die Nase, in den Mund, in die Ohren. Es ist so viel, dass ich sogar was davon verschlucke. Ich muss kotzen, was meinen Rippen gar nicht gut bekommt. Es tut so weh, dass ich nicht mehr stillhalten kann. Also krieche ich blind im Kreis herum. Meine Schreie sind so laut, dass man die Autos eine Etage tiefer nicht mehr hören kann.
– Arschloch! Halt’s Maul! Lass die Scheiße, sonst leg ich noch ’ne Ladung Holzkugeln obendrauf.
Seine Stimme ist ziemlich nahe. Er tritt gegen meinen Oberschenkel. Ich krieche und schreie und kotze noch ein bisschen weiter. Dann tritt er mich wieder. Ich sinke schreiend gegen sein Bein, reibe mein Gesicht an seiner Hose, um das brennende Zeug loszuwerden. Er packt mich an den Haaren, um mich von sich wegzuziehen.
Was mir verrät, dass er die Waffe nicht mehr auf mich gerichtet hat. Ich umklammere seine Beine mit beiden Armen, ziehe sie unter ihm weg, höre, wie sein Schädel auf den Beton kracht, taste mich das Bein hinauf, finde die Stelle, an dem es mit dem anderen verbunden ist, packe, was sich dazwischen befindet, und drücke und zerre und drehe. Die andere Hand balle ich zur Faust und hämmere damit auf seinen Bauch ein. Ich höre das Klappern von Plastik und Metall, sehe ein verschwommenes orangefarbenes Etwas neben mir, hebe es auf, hole damit wie mit einem Knüppel aus und dresche wieder und wieder auf die Stelle ein, an der ich sein Gesicht vermute.
Irgendwann hat sich mein Auge wieder so weit erholt, dass ich so ungefähr erkennen kann, was ich angerichtet habe. Es wird
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