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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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kleinen Kassettenrekorder auf den Tisch und drückte die Aufnahmetaste.
    »Für unsere Aufzeichnungen«, sagte Sergeant Kiss. Und dann lächelte er. Seine schwarzen Augen leuchteten auf, doch seine Miene verzog sich keinen Millimeter.
    Walker und Krista erzählten alles noch einmal. Kiss hörte ihnen zu, daran bestand kein Zweifel. Eine starke Zentrifugalkraft ging von ihm aus, er war wie ein schwarzes Loch.
    Als sie fertig waren, sagte er: »Ist Ihnen jemals in den Sinn gekommen, dass Ihre Eltern vielleicht einfach weggegangen sind? Menschen tun seltsame Dinge, manchmal genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich erwarten würde.«
    »Nein, das ist mir nie in den Sinn gekommen«, antwortete Walker.
    Er hatte seine Geschichte jetzt schon zweimal erzählt. Er fühlte, wie ihm der Kamm schwoll, doch er wusste, dass er sich beherrschen musste.
    »Und Sie haben natürlich auch keine Ahnung, wie Ihre Eltern so waren. Vielleicht waren sie ja ein bisschen durchgeknallt.«
    Er will mich auf die Palme bringen, dachte Walker. Er will mich testen, aber wofür? Was will er hören?
    »Vielleicht hatte Ihr Großvater sie längst abgeschrieben, wollte nur dafür sorgen, dass Sie ihm von der Pelle bleiben. Vielleicht haben Sie sich ja geirrt, und der Mann im Sommerhaus und der in Jamaika sind gar nicht ein und dieselbe Person. Vielleicht war der Typ in Jamaika nur ein Spinner aus dem Dorf.«
    Walker sah zu Krista hinüber. Ihre Augen funkelten Kiss an.
    Kiss lehnte sich zurück, als sei ihre Geschichte einfach zuviel für ihn, und schloss die Augen.
    Walker und Krista und Detective Lee saßen da und warteten. Lange. Bis Krista es nicht mehr aushielt. »Hören Sie, wir sind in Gefahr«, sagte sie. »Was werden Sie also unternehmen?« Ihr Kinn war energisch, doch es bebte.
    Kiss schlug die Augen wieder auf. Kein Leuchten war jetzt in ihnen, trüb und verhangen sahen sie aus, wie tot. »Ich bin sicher, dass das nicht stimmt«, sagte er zu ihr, in seiner Stimme lag ein Hauch von Verachtung. Er wandte sich an Walker. »Was, glauben Sie, ist mit Ihren Eltern geschehen?«
    »Jemand hat sie umgebracht«, antwortete Walker. »Ich glaube, dass Sie die Leichen irgendwo unter dem Sommerhaus der Nuremborskis finden werden. Oder ganz nah dran. Er hat das Haus verbarrikadiert, bald nachdem ich gefunden wurde, und er hat es nie verkauft.«
    »Sie glauben also, Ihr Großvater hat Ihre Eltern ermordet?«
    »Ja.«
    »Motiv?«
    »Mein Vater war ein Cree. Ein halber Cree zumindest. Mein Großvater hasste ihn. Und meine Mutter hat ihn gegen den Willen meines Großvaters geheiratet. Und sie wollten nach Toronto zurückkehren. Das wäre eine Demütigung für ihn gewesen.«
    »Und deshalb hat er sie beide umgebracht?«
    »Ja.«
    »Das ist es, was Sie glauben?«
    »Ja!«
    Kiss sah Walker noch eine Weile an. Dann sagte er: »Möglich ist alles.«
    Mit einer Miene, die beinahe Ekel ausdrückte, stand er auf und ging zur Tür. Unmittelbar bevor er hinausging, blieb er jedoch stehen und drehte sich zu ihnen um. »Danke«, sagte er und verließ das Zimmer.
    »Was ist mit Schutzhaft?«, fragte Krista mit einer Stimme, die Walker sehr dünn vorkam.
    Detective Lee schüttelte den Kopf. Er begleitete sie zurück in die Eingangshalle. Sie holten ihr Gepäck hinter dem Empfangsschalter hervor, wo die Honigblonde es gehütet hatte.
    »Hier ist meine Karte«, sagte Lee und reichte sie Krista. Vielleicht als Wiedergutmachung für die Aufforderung, sich hinzusetzen, oder weil Kiss so kurz angebunden mit ihr gewesen war. »Wenn es noch etwas gibt, können Sie diese Nummer anrufen. Wenn ich nicht da bin, hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    Krista sah zu ihm hoch. Es war kein freundlicher Blick.
     
    Sie verließen das Gebäude und gingen die College Street entlang. Walker trug ihre Koffer und seine Sporttasche, und Krista schob sich im Rollstuhl voran, die Krücken waren hinten befestigt, ihre Umhängetasche und ihre Reisetasche hatte sie auf dem Schoß.
    Als er stehen blieb, um sich eine Zigarette anzuzünden, sah er ihr zu, wie sie einem Lieferwagen auswich, der halb auf dem Gehsteig parkte, und über ein Kanalgitter rumpelte.
    Was macht sie eigentlich, wenn es schneit?, fragte er sich. Er sah sie vor sich, wie sie an ihren steckengebliebenen Rädern drehte, der Schnee auf sie herabfiel, sie zudeckte, in einen weißen Schemen verwandelte.
    Walker war enttäuscht. Alles widerte ihn an. Die Polizisten hatten sie nicht ernst genommen. Nichts hatte sich geändert.
    Kurz

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