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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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schmalen Stufen zur Haustür hoch, die von einem Portikus mit Flachdach beschirmt wurde. Es wurde immer dunkler, und ohne recht zu wissen warum, stand er da und zögerte. Er sah nach oben.
    Ein winziges rotes Licht schaute von oben zurück. Eine Kamera, direkt unter der Decke an der Ziegelwand angebracht, fixierte ihn mit ihrer runden Linse.
    Walker klingelte, sah wieder zur Kamera hoch und lächelte.
    Er klingelte wieder. Wartete. Klingelte noch einmal.
    Eine Reihe dunkler Zypressen markierte die Grundstücksgrenze auf der anderen Seite. Eine enge Zufahrt, bedeckt mit zerriebenen roten Ziegelscherben, verlief neben den hohen Bäumen und verschwand hinter der Hausecke.
    Walker überlegte soeben, ob er sich die Zufahrt näher ansehen sollte, als plötzlich schwaches gelbes Licht aus der Verglasung über der Eingangstür fiel. Er hörte, wie Schlösser umständlich aufgesperrt und Riegel zur Seite geschoben wurden und eine Kette aus ihrer metallenen Führung entfernt wurde. Die schwere Tür öffnete sich. Ein alter Mann mit bleichem Gesicht und zwei Plastikröhrchen in der Nase spähte heraus.
    »Mr. Nuremborski?«, fragte Walker. »Bin ich hier richtig?«
    Er hörte den alten Mann atmen, ein tiefes, blubberndes Geräusch. Der Mann trug eine Strickjacke über einem vergilbten Unterhemd, abgewetzte, zerknitterte Hosen und Hausschuhe in einem verblichenen Karomuster. Langsam richtete der Alte seine blutunterlaufenen, wässrigen Augen auf Walker und blickte ihm so intensiv in die seinen, dass Walker spürte, wie es ihm eng im Hals wurde.
    »Sind sie J. Nuremborski?«, wiederholte er beharrlich. »Ich bin auf der Suche nach einer Verwandten von mir, einer Lenore Nuremborski, sie ging ungefähr 1974 auf die Mädchenschule St. Bridget, die kennen Sie sicher, nur ein paar Blocks von hier.«
    Der Alte antwortete nicht. Er sah Walker weiter an, als suche er etwas, als sähe er etwas in Walkers Gesicht, das ihn erstaunte. Sein Unterkiefer sackte nach unten. Sein Mund öffnete sich ein wenig, aber nichts als das leise Gluckern seiner Lunge war zu hören.
    »Ich bin ihr Sohn«, ergänzte Walker.
    Der Alte machte mit einer knochigen Hand eine Bewegung vor seinem Gesicht, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen.
    Ein Mann mittleren Alters blickte aus dem Türspalt auf Walker. Er war dick und trug einen dunkelblauen Straßenanzug mit Krawatte.
    »Hallo«, sagte er.
    Der alte Mann drehte sich um und schlurfte auf dem langen Flur davon, einen glänzenden grünen Behälter auf einem Wägelchen hinter sich herziehend. Walker sah ihm nach, bis er um eine Ecke gebogen war.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte der Dicke und stellte sich vor Walker. Eine runde Nickelbrille saß auf seiner fleischigen Nase. Schlaue Äuglein musterten Walker.
    »Ich bin auf der Suche nach meiner Mutter. Sie hieß Lenore Nuremborski. Ihre Freunde nannten sie Lennie. Sie ist vor sechzehn Jahren verschwunden.«
    Er war selbst überrascht, wie aggressiv seine Stimme klang. Auf einmal fühlte er sich, als ob er gegen Mauern renne.
    »Da kann Ihnen Mr. Nuremborski bestimmt nicht helfen«, sagte der Mann mit samtweicher Stimme. »Er ist Junggeselle. Er kam vor vielen Jahren hierher, ganz allein. Er hat nur eine lebende Verwandte, eine Schwester, die noch in Polen lebt. Er ist leider alleinstehend. Und ist es immer gewesen. Tut mir leid.«
    Der Mann nickte traurig, als ob er sein Beileid ausdrücken wollte, und schloss langsam die Tür. Schlösser wurden versperrt, Riegel wieder an ihren Platz geschoben, die Kette rasselte an der Tür.
     
    Am nächsten Vormittag um halb zehn stieg Alphonso müde aus einem Taxi der Konkurrenz und trat durch die verdreckte Eingangstür von A. P. Taxis. Sein dunkles Gesicht war um einen schwarzweiß gesprenkelten Zweitagebart reicher, seine Taschen um eintausendsechshundertzweiundzwanzig Dollar ärmer.
    Eine Minute nach halb zehn informierte ihn Joe Smart, dass Nummer Neunzehn nicht da sei.
    »Was soll das heißen: nich da?«
    »Na, nich da heißt nich da«, zischelte Joe. Er hatte einmal ein falsches Gebiss besessen, das hatte er irgendwo abgelegt und konnte es ums Verrecken nicht wiederfinden. »Der Hurensohn is halt nich zurückgekommen!«
    Joe konnte Walker nicht leiden. Der hielt sich für einen von den ganz Schlauen. Es passte ihm nicht, dass Walker so schnell in den Frühstücksclub aufgenommen worden war, während er, Joe, noch immer auf die erste Einladung wartete. Es passte ihm nicht, wie Walker die arme

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