Ausgesetzt
sind da hingegangen. Und ich mochte Ihre Großmutter so gern. Sie war eine wunderbare Frau.«
Walker nickte. »Wo wohnt Kim jetzt? Meiner Mutter wäre wirklich sehr daran gelegen, wenn ich kurz bei ihr vorbeischauen würde.«
»Ich glaube, sie hat schon jahrelang nichts mehr von Ihrer Mutter gehört. Ich weiß noch, dass sie mir erzählt hat, Lennie und ihr Mann seien nach England gegangen. Und ich glaube, sie ist zu Jake rübergegangen, um ihn nach Lennies Adresse zu fragen. Aber seltsamerweise wollte Jake sie ihr nicht geben. Das war typisch für ihn, wenn ich das so sagen darf. Er war schwierig. Diesen Eindruck hatte ich jedenfalls nach den Schilderungen Ihrer Großmutter. Na egal, ich weiß aber noch genau, dass Kim eine Weile ganz schön sauer war. Die Sache hat ihr keine Ruhe gelassen. Aber das Leben geht weiter.«
»Mom war nie eine große Briefschreiberin. Aber ich musste ihr versprechen, dass ich Kim besuchen würde, wenn ich jemals nach Toronto kommen sollte«, beharrte Walker sanft.
»Kim hat jetzt drei Kinder. Wie viele hat Lenore?«
»Nur mich.«
»Was macht Ihr Vater?«
»Er ist Buchprüfer.«
»Ach?«
»Ja. Er war nicht ganz erfolglos«, sagte Walker und hoffte, damit ein wenig britischer geklungen zu haben. »Sie haben ein hübsches Häuschen am Rand von London. Mom hat nie gearbeitet.«
»Sie war ein wunderbares Mädchen. Sie und Kim hatten immer diese Lachanfälle. Und große Geheimnisse miteinander. Die beiden waren so süß. Kim lebt in Paris.«
»Oh«, Walker blieb die Luft weg. O nein, dachte er.
»Paris, Ontario. Das ist gar nicht weit weg, nicht einmal hundert Kilometer. Als Norman noch lebte, sind wir alle drei, vier Wochen hingefahren. Ihr Mann ist Kieferchirurg. Kim unterrichtet eine vierte Klasse. Hat sie jedenfalls bis vor kurzem. Jetzt macht sie mal ein bisschen Pause. Bei ihnen geht es ständig rund, und mit den drei Kindern – ich bin schon ganz erledigt, wenn ich nur daran denke. Es heißt immer nur hopp, hopp, hopp. Na ja, jetzt sehe ich sie nicht mehr so oft. Ich fahre nicht gern Auto.«
»Ich würde gern hinfahren, mir die Gegend anschauen. Ich könnte vorher anrufen und dann kurz vorbeischauen.«
Mrs. Miller dachte lange nach. Sie sah aus, als mache sie sich über etwas Sorgen. »Wissen Sie, Walker, ich glaube, Kim würde sich riesig über Ihren Besuch freuen«, sagte sie. »Ich bin sicher, Ihre Mutter fehlt ihr noch immer.«
»Und sie fehlt meiner Mutter.«
Kaum hatte sie Kims Adresse und Telefonnummer aufgeschrieben, sagte Walker, er müsse jetzt gehen, weil er sich mit ein paar Schulfreunden verabredet habe.
»Wie sind Sie denn hergekommen?«, fragte Mrs. Miller, als sie ihn hinausbrachte und auf der Straße links und rechts schaute. Walker hatte Nummer Neunzehn um die Ecke geparkt.
»Ich bin mit dem Bus bis zur Eglinton Avenue gefahren«, schwindelte er, »und dann gelaufen. Danke vielmals.«
Er ging mit raschen Schritten davon. Als er sich umwandte, stand sie noch immer auf der Veranda und sah ihm nach.
»Wiedersehen macht Freude«, sagte Alphonso, der zigarrepaffend in einer der offenen Garagentüren stand, als Walker aus dem Taxi stieg.
Krista war auch gerade erst gekommen, um ihre Nachtschicht zu übernehmen. Nick hatte sie abgeholt und lud soeben ihren Rollstuhl aus dem Kofferraum seines alten Chrysler.
Alphonso rief ihr zu: »Dein Freund hat beschlossen, sich zu stellen!«
Krista ließ ihren Rollstuhl stehen und schwang sich zu Walker herüber. »Hi«, sagte sie.
Joe kam aus dem Dunkel der Garage. Er sah aus, als hätte er sich gerade in Schmierfett gesuhlt. Er fuchtelte mit einem Gummihammer herum.
»Soll ich dem mal ’n bisschen Verstand in seinen Idiotenschädel hämmern?«, wandte er sich an Alphonso.
»Soll ich dir mal den Motor abwürgen?«, zischte Krista ihm zu.
»Der hat die Scheißkarre geklaut!«, geiferte Joe, obwohl das Taxi in Lebensgröße dastand. Er drehte sich zu Alphonso, in der Hoffnung, von dort Unterstützung zu bekommen. Alphonso stand da und grinste.
»Wie geht’s dem Eriesee?«, fragte er.
»Tut mir leid«, sagte Walker. »Ich musste einen Verwandten besuchen.«
Er sah zu Krista hinüber. »Es war so was wie ein Notfall. Tut mir echt leid.«
»Dir tut’s leid. Und mir tut’s auch leid«, erwiderte Alphonso. »Weil … ich muss dir jetz’ auch die Leihgebühr für die Tagschicht berechnen. Du hast ja das Taxi den ganzen Tag besetzt.«
»Niemand fährt mit diesem blöden Taxi außer Walker. Sei doch
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