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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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Hände gruben sich in Bobbys Schultern. Bobbys Mund öffnete sich, und beinahe hätte er geschrien.
    Ein grimmiger Ausdruck trat in die Augen seines Vaters, der von dem Kampf zeugte, den er sowohl mit Bobby als auch mit sich selbst führte. Er drückte zu und ließ ihn, genauso abrupt, wieder los. Durch eine Seitentür ging er in sein Privatbüro. Die Tür schnappte zu.
    Bobby stand da, weinte ein bisschen und rieb sich die Schultern. Er setzte sich in einen der Sessel und blieb eine halbe Stunde lang sitzen. Er roch das Rasierwasser seines Vaters. Dick und tröstlich lag der Geruch in der Luft. Er wartete, doch die Tür zum Privatbüro blieb geschlossen.
    Langsam wurde es dunkel. Das Licht im Sitzungssaal schwand, die Luft wurde grau.
    Bobby stand auf, stieg die breite Treppe wieder hinunter und ging nach Hause.

[home]
    13
    W
er
sind Sie?«, fragte Mrs. Miller und spähte durch den Türspalt.
    Walker, ein wenig zerknittert und übernächtigt, stand auf der Veranda in der Rosewood Avenue.
    »Mrs. Miller, ich bin der Sohn von Lenore Nuremborski«, wiederholte er. »Ich heiße Walker. Und ich suche Kim.«
    »Ach?« Mrs. Miller schaute noch immer überrascht aus. »Lenore. Ja. Und wie geht’s ihr?«
    »Gut«, sagte er. »Es geht ihr gut.«
    »Schön.« Mrs. Miller öffnete die Haustür ein wenig weiter. »Kim hat sie ja seit Jahren nicht mehr gesehen. Seit Lenore nach England gezogen ist.«
    »Mhm«, war Walkers Antwort. England, dachte er. »So wird’s wohl sein. Darum wollte sie auch, dass ich vorbeischaue. Weil sie sie schon so lang nicht gesehen hat.«
    Die Frau war noch immer ein wenig ratlos. »Na, dann kommen Sie rein, Walker.«
    Mrs. Miller war eine attraktive Frau Anfang sechzig, gut gekleidet, gebräunt, das Haar noch immer blond gesträhnt. Sie führte ihn einen mit Teppich ausgelegten Flur entlang durch eine Doppeltür aus Glas in ein großes, elegant eingerichtetes Wohnzimmer.
    »Ihren Großvater haben sie vermutlich schon besucht?«
    »Ja«, sagte er.
    »Setzen Sie sich doch.« Sie deutete auf ein geblümtes Sofa. Walker versank tief in den voluminösen Kissen.
    »Möchten Sie etwas trinken? Ich habe Sherry da.«
    »Sehr gern.«
    Mrs. Miller öffnete die Tür einer großen Porzellanvitrine und füllte sehr sorgfältig zwei kleine Weingläser halb voll.
    »Wie geht’s Ihrem Großvater? Soviel ich gehört habe, ist er schon seit Jahren leidend. Ich kannte ihn ja nicht. Hab immer nur über ihn gehört. Mein verstorbener Mann und er waren Geschäftspartner.«
    »Besonders viel weiß ich auch nicht über ihn«, erklärte Walker. »Meine Mutter hat nicht oft über ihn gesprochen. Ich hab nur kurz vorbeigeschaut und ›Hallo‹ gesagt.«
    Sie kam zu ihm zurück und reichte ihm ein Glas Sherry. »Also, wie geht’s ihm?« Sie setzte sich Walker gegenüber und betrachtete ihn genau.
    Walker beschloss, auf Risiko zu spielen. »Er ist krank. Er hat Atembeschwerden. Ich glaube, dass dieses große Haus in Forest Hill nicht das Richtige für ihn ist. Fühlt sich irgendwie feucht an.«
    Mrs. Miller schaute ihn an. »Das ist ja schlimm«, sagte sie. »Ich hätte gedacht, dass Sie an Feuchtigkeit gewöhnt sind, wo Sie doch aus England kommen.«
    »Daran gewöhnt man sich nie.« Walker kam sich wie ein Idiot vor. Rasch nahm er einen großen Schluck von seinem Sherry. Er brannte in der Kehle.
    »Wissen Sie, Walker«, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln, doch in ihren Augen lag Unruhe, vielleicht sogar eine gewisse Nervosität, »vielleicht liegt’s ja an mir, vielleicht habe ich einfach kein Ohr dafür, aber Sie haben nicht die Spur eines britischen Akzents.«
    »Weil ich lange in New Brunswick war«, sagte Walker geistesgegenwärtig. »Meine Mutter hat mich da zur Schule geschickt. Sie mochte das englische Schulsystem nicht. Aber in Toronto bin ich jetzt zum ersten Mal.«
    Er wechselte das Thema und sagte: »Ich glaube, ich habe Sie einmal auf einem Foto gesehen.«
    »Ach ja?«
    »Auf dem Foto planschten Kim und meine Mutter in einem See. Sie waren ungefähr drei Jahre alt, und ich glaube, Sie waren auch dabei. Sie standen bei Mary’s Point im Wasser. Sie hatten da doch ein Ferienhaus, oder?«
    »Ja, das stimmt. Das ist Jahre her. Die beiden wechselten sich immer ab. Einen Sommer kam Ihre Mutter zu uns, den nächsten besuchte Kim Lennie. Das war so eine Art Ritual. Sie waren unzertrennlich, seit sie sich im Windover-Kindergarten um dasselbe Spielzeug gezankt hatten. Ich war im Beirat. Alle meine Kinder

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