Ausgesetzt
dem Polizeichef von Harristown, der auf Drängen von Dimarcos Vater den weiten Weg den Berg hinauf machte, um ihn zu verhören, und mit keinem seiner Stubenkameraden. (Doch er hörte zu, hörte allen sogar sehr genau zu, und erfuhr, dass Dimarco nichts davon gesagt hatte, dass man ihm die Hosen heruntergezogen hatte, nur davon, dass Bobby ihn aus unerfindlichen Gründen angegriffen und ihm eins über den Schädel gezogen hatte.)
Kämpfe auf deinem eigenen Terrain, zumindest das hatte er an der Schule gelernt. Und das tat er auch. Bobbys eigenes Terrain lag unter der Erde, oder – noch besser, so dachte er, als er die nächsten zwei Tage stumm in seinem Zimmer saß – unter Wasser. Ihr müsst tief hinuntertauchen, um mich zu stellen, dachte er, denn ich bin ein scheues Wesen. Niemand versteht meine Sprache.
Erst als sein Vater – ergebnislos – mit dem Major gesprochen, Bobby die ganze neue Ausstattung eingepackt hatte, die seine Mutter ihm bei Eaton’s gekauft hatte, er sicher neben seinem Vater auf dem Rücksitz eines Taxis saß, das Taxi das steinerne Tor von Southam hinter sich gelassen hatte und den Berg hinabfuhr, sprach Bobby.
»Dimarco kann unter Wasser nicht atmen«, sagte er.
Sein Vater gab keine Antwort. Sein Vater wandte sich langsam von ihm ab und sah zum Fenster hinaus.
Eine Woche nach seiner Rückkehr nach Toronto – eine Woche voller Diskussionen zwischen seiner Mutter und seinem Vater, aus denen sie als Siegerin hervorging – kamen seine Eltern überein, dass sie Bobby nie mehr auf ein Internat schicken würden. Offensichtlich war das eine zu große Belastung für sein empfindsames Gemüt.
Zwei Tage nach Beendigung der Diskussionen führte sein Vater ihn wie ein Mann, der das Unmögliche erzwingen will, durch die Firma, die Bobby eines Tages erben würde.
Er führte ihn durch ein Labyrinth von Fabrikgebäuden aus der Zeit der Jahrhundertwende, alle renoviert und hell erleuchtet. Er stellte ihm endlose Reihen von Mechanikern und Schlossern, Schleifern und Schweißern, Befrachtern und Entladern vor und zeigte ihm eine Unzahl von Büros voller Ingenieure, Manager, einfacher Angestellter und Sekretärinnen. Er führte ihn die breite Treppe hinauf in die Führungsetage und stellte ihm den Controller und den Leiter der Finanzabteilung, den Vertriebsdirektor, den Marketingdirektor und all ihre Sekretärinnen vor. Er brachte ihn in den Sitzungssaal des Vorstands mit seinem endlos langen Tisch und den vierzehn Ledersesseln, den Porträts seines Vaters und des Vaters seines Vaters und des Vaters des Vaters seines Vaters, der wie ein preußischer Soldat aussah – Major J. K. Kellum nicht unähnlich.
Seine Mutter hatte ihn sorgfältig gekleidet: Er trug seinen besten Anzug, die glänzendsten Schuhe, die unauffälligste Krawatte. Sie hatte ihn gekämmt und hätte ihm auch die dreizehnjährigen Backen rasiert, hätte es da etwas zum Rasieren gegeben.
Er bemühte sich, allen fest die Hand zu drücken und ihnen direkt in die Augen zu schauen, wie es sein Vater ihm befohlen hatte. Er bemühte sich, so aufrecht zu stehen, wie er nur konnte, Schultern zurück, Kinn ein wenig nach vorn. Er bemühte sich, mit genau der richtigen Spur von Ironie, Distanz, ja Herablassung zu lächeln wie sein Vater.
Sie rangelten alle um Macht, all diese glatten, grinsenden Männer mit den strahlenden Augen. Bobby erkannte das. Er sah direkt durch sie hindurch.
Eines Tages würde er hier der Boss sein. Er würde die Macht in Händen halten.
Sein Herz schlug ein wenig schneller, als er sich vorstellte, wie er in dem Sessel am Kopfende dieses langen Tisches sitzen würde. Seine Aufgabe würde es sein, jedem von ihnen zu zeigen, wie er sich zu benehmen hatte. Alle würden sie Angst vor ihm haben.
Als sie allein waren in dem überdimensionierten holzgetäfelten Sitzungssaal, nahm Bobbys Vater ihn in den Arm. »Dieses Unternehmen bleibt in der Familie«, flüsterte er dem Jungen ins Ohr. Er küsste ihn auf die Wange, drückte ihn fest an sich. »Du weißt, dass deine Mutter keine Kinder mehr haben kann, keine Söhne.«
Bobby hatte das nicht gewusst. Er hatte eine jüngere Schwester, doch die beachtete er nie. Sein Vater schon – er machte ein Getue um sie, nannte sie seine Prinzessin, ließ sie auf seinen Knien reiten – aber er wollte einen Sohn, einen Sohn. Für eine Tochter war in seinen Geschäftsplänen kein Platz.
Er hielt Bobby auf Armeslänge von sich weg, lächelte ein Lächeln ohne Hoffnung. Seine
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