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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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wahrscheinlich schon verständigt. Kim wird wissen, dass ich komme.«
    »Und wenn sie nicht zu Hause ist? Wenn sie in Urlaub sind?«
    »Dann warten wir.«
    »Ich will dir ja nur klarmachen, dass sich die Spur hier verlaufen könnte. Das könnte die Endstation sein, sei also nicht enttäuscht.«
    »Wird’s aber nicht.«
    Er stieg aus, ging zur Haustür und klingelte. Krista wartete im Wagen. Sie würde auf keinen Fall aussteigen, solange sie niemanden sähe. Solange niemand sie hereinbäte.
    Walker spähte durch ein Fenster in der Tür. Der Raum dahinter hatte eine hohe, gewölbte Decke mit freiliegenden Holzbalken. Durch ein Dachfenster flutete Licht herein.
    Er klingelte noch einmal. Er hörte das hohe und dann tiefer werdende Läuten der Türglocke. Er wandte sich zu Krista um. Sie saß noch immer im Wagen und sah ihm zu. Dachte wahrscheinlich: Was hab ich gesagt?
    Walker klingelte noch einmal. Man hörte es läuten. Noch immer kam niemand an die Tür. Krista zugewandt, zuckte er die Achseln und musste lächeln, beinahe lachen. Er wusste, was sie dachte, nämlich dass er ein Trottel sei.
    Die Wipfel der Kiefern rauschten im Wind. Die Luft war kühl, aber noch wärmte die Sonne die Haut. Er nahm den intensiven Geruch von Zedern wahr.
    Er beschloss, um das Haus herum zu gehen. Wenn Kim im unteren Teil des Hauses war, konnte sie die Glocke vielleicht nicht hören. Oder sie arbeitete draußen im Garten.
    Walker stieg die Holzstufen hinunter, die einen Hang neben dem Haus hinabführten. Dabei fiel ihm auf, dass in den Blumenbeeten, die auf hölzernen Terrassen entlang seines Weges angelegt waren, mehr Unkraut wuchs als Blumen. Alles war trocken, braun und filigran wie Spitze.
    Hier blies ein heftiger Wind, der nicht mehr vom Haus gebremst wurde. Zu Walkers Füßen erstreckte sich das Flusstal nach Norden und Süden, ein riesiger Bestand von Laubbäumen in leuchtenden Farben, gesprenkelt mit kontrastierenden Kiefern, und, weiter unten im Tal, das dunklere Grün der Zedern und das Silber der Weiden, das üppig über dem Fluss hing.
    Die Landschaft wirkte domestiziert und unberührt zugleich. Vertrauenerweckend und unheilverkündend. Die Zedern rochen nach Norden, doch nach Norden sah es hier ganz und gar nicht aus.
    Walker besah sich die Rückseite des Hauses, konnte aber niemanden entdecken. Schwach, vom Wind immer wieder unterbrochen, war Musik zu hören. Klassische Musik – in Walkers Ohren klang es jedenfalls so. Ein Cello vielleicht. Eine Geigenschar, ein langes, liebliches Hornmotiv. Als er über die Terrasse der Musik entgegenging, wurde er von der riesigen Schallwelle eines ganzen Orchesters erfasst.
    Zwei Glastüren waren weit geöffnet. Zu beiden Seiten blähten sich schwere, gelbe Gardinen im Wind, schwangen in den Schienen hin und her. Walker sah durch die offenstehende Tür und erblickte im hinteren Teil des Zimmers das schwache Licht einer Lampe, eine Gruppe von Sesseln und Sofas mit karierten Überwürfen und einen langen, grobgezimmerten Couchtisch. Er rief: »Mrs. Miller-Best? Hallo? Jemand zu Hause?« Seine Stimme klang leise und unsicher im Crescendo des Orchesters.
    Irgend jemand muss da sein, dachte er. In Big River schlossen die Leute ihre Türen zwar nicht ab, sie ließen sie aber auch nicht sperrangelweit offen.
    »Hallo?«, rief Walker, diesmal etwas lauter. Doch niemand rief zurück, und auch auf der Treppe hinten im Zimmer tauchte niemand auf.
    Eine Hand, strahlend weiß im Halbdunkel des Raums, hing über den Rand eines Sofas. Je länger Walker sie anstarrte, um sich zu vergewissern, dass er wirklich sah, was er sah, desto weißer schien sie zu werden.
    »Mrs. Miller-Best?«
    Die Hand bewegte sich nicht.
    Er betrat das Zimmer und ging zum Sofa.
    »Mrs. Miller-Best? Entschuldigung! Hallo?«
    Nichts regte sich. Einen Augenblick stand Walker da und wusste nicht, was er tun sollte. Er umkreiste die Hand.
    Eine Frau in Schlafanzug und Morgenmantel lag, mit dem Gesicht nach unten, ausgestreckt auf dem Sofa. Ihr dunkelblondes Haar verdeckte das Gesicht. Ihre Füße waren nackt und weiß wie ihre Hand. Der andere Arm war irgendwo unter ihr vergraben.
    Walker wusste nicht, was tun – sie berühren oder möglichst laut schreien. Er beugte sich vor, um den Puls am Hals zu fühlen und zu erkennen, ob sich ihr Rücken leicht auf und ab bewegte. Aber er konnte nichts feststellen. Die Musik wurde immer lauter – Kesselpauken und Becken.
    Er sah sich um und entdeckte die Stereoanlage, aus der die

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