Ausgesetzt
den Kopf geben, sollte sich die Notwendigkeit ergeben. »Erklären Sie«, sagte er.
»Zuallererst, ich tue, was Mr. Nuremborski mir aufträgt, aber nicht, weil ich glaube, dass es richtig ist, sondern, offen gestanden, weil ich es mir nicht leisten kann, es nicht zu tun. Ich bin kein Jüngling mehr.«
»Sie haben meine Katze umgebracht«, wiederholte Walker. Er hatte jetzt nur mehr sehr wenig Angst vor dem Mann. Mr. Nuremborskis Sekretär schloss einen Moment die Augen, als hoffe er, dadurch würde alles verschwinden.
»Was ist mit Lennie passiert?«, fragte Walker. »Was ist mit meiner Mutter?«
Der Mann öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist es ja. Sie haben das alles falsch verstanden, obwohl’s am Ende egal ist.«
»Was soll das heißen?«
»Ich meine, Lenore Nuremborski ist nicht Ihre Mutter. Sie sind der Sohn von Robert Nuremborski.«
Walker saß einen Augenblick nur da. »Was?«
»Sie sind der Sohn von Robert Nuremborski«, wiederholte der Riese.
Walker stand auf.
»Ich bin Lennies Sohn«, sagte er, und in Windeseile durchforstete er seinen Geist nach den Gründen, warum er ihr Sohn sein musste, versuchte sie zu ordnen, doch er konnte sich auf keinen besinnen. »Ich habe das Foto gesehen. Ich habe den Brief gesehen. Ich habe mit ihrer besten Freundin gesprochen. Ich habe mit Kim Miller-Best gesprochen!«, schrie er, und seine Stimme hallte durchs Haus.
»Ich weiß«, sagte der Mann.
Walker spürte plötzlich das Verlangen, ihm mit dem Stuhl den Schädel einzuschlagen. Aber statt dessen, quälte er sich weiter, als versuche er, im Wasser zu laufen. »Lenore hatte einen Sohn, ich habe den Brief gelesen.«
»Hatte sie auch. Er heißt Edward William Jenkins und studiert an der Universität in Edinburgh.«
»Sie war fast noch ein Kind, als sie schwanger wurde«, fuhr Walker fort, ein bisschen unsinnig, als könnte nur er ihr Kind sein, und sonst niemand.
»Das stimmt.« Der Mann löste die Lederriemen an seiner Mappe. »Sie und ihr Mann gingen nach Jamaika, dort bekam sie das Baby, und dann zogen sie nach England.« Er blickte Walker durch seine Nickelbrille an. »Sie waren auf dem falschen Dampfer.«
Walker setzte sich wieder hin. Er musste das Ganze langsamer angehen, musste nachdenken.
»Woher wussten Sie, wo ich wohne? Und wo ist mein Foto? Und mein Brief?«
»Auf Mr. Nuremborskis Anordnung habe ich beide vernichtet.« Plötzlich sah der Mann aus, als täte es ihm leid.
»Woher wussten Sie überhaupt, dass es einen Brief und ein Foto zu stehlen gab? Woher wussten Sie, dass ich nach Toronto gegangen bin? Und wenn dieser Mensch mein Vater ist, warum war ich dann ein Fall fürs Jugendamt? Unter Vormundschaft des Staates? Und wenn ich das Kind dieses Menschen bin, warum wurde ich mit drei Jahren dreißig Kilometer von hier ausgesetzt?«
Walker kämpfte mit den Tränen, wie ein dummes kleines Kind.
Er sprach zu laut. Er spürte, wie er zu zittern begann. Das machte ihn wütend, denn er wollte dem Mann nicht zeigen, was in ihm vorging. Außerdem wollte er einen klaren Kopf bewahren.
»Eines Tages tauchte eine Frau hier im Haus auf«, sagte der Mann nun mit sanfterer Stimme. »Sie hatte ein Kind dabei und behauptete, es sei Roberts Sohn und Robert müsse jetzt die Verantwortung für ihn übernehmen. Sie könne sich nicht mehr um ihn kümmern und würde ihn hier bei Robert lassen. Zu ihrem Unglück war auch Jake Nuremborski da. Sie hätten Jake kennen müssen, insbesondere bevor er seine Firma verkaufte. Mit ihm war nicht zu spaßen. Was man von Robert, seinem einzigen Sohn, ganz und gar nicht behaupten konnte. Er war, nun ja, ein Sorgenkind – so haben ihn die Leute in der Firma, darunter auch ich, immer genannt. Was unter anderem auch hieß, dass er trank. Es tut mir leid, aber Sie wollten es ja wissen. Egal, auf jeden Fall war mit dieser Frau auch kein Staat zu machen. Irgendeine Indianerin aus der Gegend, die er in einer Bar aufgegabelt hatte.«
Der Mann hielt inne, aber Walker rührte sich nicht.
»Sie hatte dieses Kind von ihm, und er hatte ihr Geld gegeben, aber jetzt hatte sie die Nase voll von dem Kind und von ihm, und außerdem hatte sie einen neuen Freund. Sie wollte weg von hier. Und das war’s auch schon. Aber ganz so einfach war es natürlich nicht. Robert behauptete nämlich, sie lüge und er kenne sie kaum. Er hatte Angst vor seinem Vater, eine Heidenangst. Und so verjagte der Alte die Frau mit ihrem Kind von seinem Grundstück. Er
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