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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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rotem Licht, das die Schattierungen seiner Decke wie Feuer aufflammen ließ.
    Walker ging zu ihm, aber er rührte sich nicht, schien nicht zu merken, dass sein Sohn bei ihm war.
    Sein Sohn? Walker sah dem Mann ins Gesicht. Der Kopf lag auf einer Schulter, in einem seltsamen Winkel aufwärts gewandt. Seine Augen waren geschlossen.
    Walker beugte sich über ihn, um ihn besser betrachten zu können. Sein Gesicht war feiner geschnitten als Walkers, zarter, doch die hohen Backenknochen waren da und auch der längliche Unterkiefer hatte etwas Vertrautes. Das Haar war schwarz, aber nicht so kohlrabenschwarz, dass es schon wieder blau war, wie das von Walker. Nun ja, aber die beteiligte Frau war ja auch eine Ureinwohnerin, oder?
    Walker wollte etwas sagen, aber er wusste nicht, was. Plötzlich merkte er, dass er neben diesem Mann mit sich im Reinen war. Die ganze fürchterliche Anspannung, der Schmerz und die Verwirrung fielen von ihm ab.
    Etwas in der Luft, die ihn hier umgab, war so leise, so tröstlich, so beruhigend, dass es ihm vorkam, als hätte die Welt selbst zu atmen aufgehört.

[home]
    22
    A m nächsten Morgen war die ganze Ferienkolonie in Aufruhr. Alex Johnson war gefunden worden. Die Einzelheiten darüber, wo man ihn gefunden hatte und in welchem Zustand, machten die Runde wie ein Blitz und hatten eine ebensolche Wirkung.
    Erwachsene Männer zuckten zurück, als sie davon hörten, sie öffneten den Mund, doch kein Laut kam heraus. Erschütterung malte sich in den Gesichtern der Frauen. Kinder wurden gesucht und in die Häuser zurückgeleitet, als wären sie plötzlich schwer krank geworden und brauchten Ruhe und Schonung.
    Ein paar von den älteren Kindern entwischten, rannten das Ufer auf und ab, zwischen den Häusern hin und her und riefen einander zu. Sie fühlten etwas wie Hysterie, eine elektrische Ladung in ihren Adern, waren durcheinander und aufgeregt und voller Erstaunen.
    Und auf einmal begann man miteinander zu reden, als ob alle gleichzeitig die Sprache wiedergefunden hätten – eine Flut von Worten ergoss sich, um etwas Gestaltlosem Gestalt zu geben, etwas Sinnlosem Sinn, um durch Details und Begründung und Spekulation Grenzen um etwas Grenzenloses zu ziehen.
    Und als das nichts half, wurden die Männer wütend und scharten sich zusammen. Und die Frauen, ihre Kinder sicher unter ihrer Obhut, gingen in ihre Zimmer und kuschelten sich in ihre Betten. Und alle wussten, dass sich nichts ändern würde, egal was sie taten oder nicht taten, sagten oder nicht sagten. Jemand war in Alex Johnsons Leben getreten und hatte es beendet. Und jemand war auch in ihr Leben getreten.
    Bobbys Vater hatte kein Wort gesagt, als Bobby hinter ihm her nach Hause gegangen war. Es war nicht notwendig gewesen. Was es zu sagen gab, hatte er bereits gesagt, als er dem Polizisten geantwortet hatte, er habe Alex nicht gesehen, und nicht widersprochen hatte, als Bobby behauptete, auch er habe Alex nicht gesehen. Sie saßen im selben Boot, Vater und Sohn. Sein Vater würde ihn beschützen, was auch kommen mochte. Er hatte keine Wahl.
    Bobby war schlau auf seine Art.
    Er wusste, dass sein Vater nichts sagen würde, weil er schreckliche Angst hatte, nicht um Bobby, sondern um sich selbst. Den guten Namen der Familie. Den Betrieb. Das Ansehen. Und noch tiefer als diese Angst ging sein Entsetzen darüber, dass er so ein Kind in die Welt gesetzt hatte, dass seinen glorreichen Lenden etwas wie Bobby entsprungen war.
    Und Bobby, der mitten in der Nacht wach in seinem Bett lag, lächelte bei diesem Gedanken, wälzte sich herum und stellte sich vor, er sei ein Troll mit einem großen haarigen Kopf und spitzen Ohren und einem großen Buckel, der ihm zwischen den Schulter hervorwuchs. Er würde unter Brücken und in hohlen Baumstämmen wohnen. Er würde vor sich hin singen, und die Menschen würden seine Stimme für die Stimme des Windes halten. Der Winter würde kommen und die Sümpfe und Wälder mit Eis bedecken, und Bobby würde zwischen den dunklen Bäumen umherschleichen wie ein Schatten, und die Kälte könnte ihm nichts anhaben.
    Dann kam Bobby ein anderer Gedanke: Dass sein Vater ihn in seinem Innersten doch liebte. Und je mehr er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass sein Vater ihn tief im Innersten, immer geliebt hatte. Selbst wenn es so ausgesehen hatte, als sei er voller Verachtung und abgrundtiefem Hass.
    Bobby stand im Bett und streckte beide Arme aus. Er war kein Troll, er war ein Gott, weil er es wagte, in

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