Ausgesetzt
zuvor auf ihrem Bett gesessen. Sie wandte sich ab und kuschelte sich wieder in die Decke.
Nur sein Vater kannte die ganze Wahrheit. Nur sein Vater wusste, dass er ein Gott war.
»Alex ist im Himmel«, sagte er, und diesmal laut.
Sie antwortete nicht.
Langsam, fast unmerklich, streckte er die Hand aus, um ihr Haar zu berühren.
[home]
23
D as Telefon läutete neben Walkers Ohr. Seine Augen öffneten sich, doch sein Verstand schlief noch. Benommen schaute er die Wand an. Der Raum war dunkel, von irgendwoher kam das Licht einer Lampe.
Beim vierten Klingeln hob er ab.
»Hmmm«, machte er.
»Schön, dass du wach bist«, erwiderte Krista.
Walker stützte sich auf einen Ellenbogen.
»Ich hab dich ausschlafen lassen. Es ist fast sechs.«
»Hmmm.«
»Ich komm rüber. Ich weiß jetzt, wo diese Nummer herkommt.«
»Was für eine Nummer?«
»Diese Telefonnummer!« Sie klang leicht genervt. Dann legte sie auf.
Sechs, dachte Walker. Mensch.
Er warf die Decke von sich und schwang die Beine über den Rand seines Ausziehsofas. Zu mehr reichte es im Moment nicht.
Wie lang würde sie brauchen, um hierher zu kommen? Nicht lang, wenn sie mit dem Auto fuhr, aber sie hatte noch immer keinen fahrbaren Untersatz. Sie hatte schon einmal erklärt, dass es nicht ratsam war, einen von den Kollegen zu bitten, sie zu ihm zu fahren, wenn sie und Walker nicht bis in alle Ewigkeit aufgezogen werden wollten. Wie also kam sie dann her? Mit der Straßenbahn? Mit einem Taxi von der Konkurrenz? Im Rollstuhl?
Robert Nuremborski war am vergangenen Abend im kalten roten Licht in einem Rollstuhl gesessen. Walker erinnerte sich wieder, was er da empfunden hatte. Tiefer Frieden war über ihn gekommen, seine Erschöpfung war von ihm abgefallen. Es war wie ein Zeichen, dass dieser Mann tatsächlich sein Vater war, als hätten zwei Auren zusammengefunden und wären miteinander verschmolzen.
Nur dass die Ruhe zu ruhig und zu tief geworden war. Walker hatte in Roberts Gesicht gestarrt, und da bekam es allmählich etwas Künstliches, wie ein Konstrukt, wie eine Totenmaske. Walker hatte dagegen ankämpfen müssen, dieses Gesicht abzuheben, um das wahre Gesicht darunter zu sehen. Er war zurückgewichen, die Auffahrt hinunter zu Alphonsos Wagen gehetzt.
Während Joe Smart jeden Quadratmillimeter des Cadillacs unter die Lupe nahm, in der Hoffnung, irgendwo eine Kratzspur zu entdecken oder Schmutz, Brandlöcher, Asche, Krümel, Senf – was auch immer, war Walker zu Ruby hinübergegangen, hatte zwei Kaffee und zwei Donuts mit Honigglasur zum Mitnehmen gekauft und war zurück zur Taxifirma gegangen. Wieder hatte er sich völlig matt gefühlt.
Krista hatte an ihrem Funktisch gesessen. Sie hatte erleichtert gewirkt. »Schön, dass du noch ganz bist«, sagte sie. Und sah dabei so aus, als meinte sie, was sie sagte.
Dadurch ermutigt ging er um die Theke herum und stellte einen Kaffee und einen Donut neben sie. Er hatte nicht vergessen, dass sie ihm plötzlich die kalte Schulter gezeigt, sich kühl und unnahbar gegeben hatte. Aber der Tag war einfach zu lang, und was er dabei in Erfahrung gebracht hatte, zu niederschmetternd gewesen.
Er saß auf der Schreibtischkante und erzählte ihr zwischen den Funkrufen und Telefonaten, dass es der Sekretär von Jake Nuremborski gewesen war, der versucht hatte, ihnen Angst einzujagen, und dass Heather Duncan, seine Beschützerin, die beste und einzige Freundin, die er als Kind gehabt hatte, Jake Nuremborski jahrelang mit Informationen versorgt hatte.
Als er ihr erzählte, dass nicht Lennie seine Mutter war, sondern, zumindest nach Aussagen des Sekretärs, Robert sein Vater, war sie sprachlos.
Als er zu der Sache mit dem Scheck kam, hatte sie ihre Sprache wiedergefunden. »Red kein Blech«, stieß sie hervor.
»Vierhunderttausend, beglaubigt«, wiederholte Walker.
»Mensch! Zeig mal her.«
Er zögerte. »Ich habe ihn nicht genommen.«
Sie starrte zu ihm hoch.
»Weil ich nicht glaube, was er sagt«, erklärte Walker. »Weil die etwas vertuschen wollen. Meiner Mutter ist irgend etwas zugestoßen, und die wollen mich kaufen.«
Krista nickte bedächtig. Ihr schien die Erklärung, die der Sekretär Walker gegeben hatte, ziemlich überzeugend. Aber dies war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, Walker zu fragen, warum er auf einmal so sicher war, dass Robert Nuremborski nicht sein Vater war. Schließlich hatte er tagelang davon geredet, dass der Mann im Rollstuhl sein Vater sein könnte. Es war wohl besser, ihn
Weitere Kostenlose Bücher